Um mehr Wohnraum zu schaffen, muss mehr gebaut werden – statt blockiert.

Vorkaufsrechtsinitiative: Teure Scheinlösung

Gleich fünf wohnpolitische Initiativen beschäftigen den Kanton Zürich. Als erste kommt am 30. November die Vorkaufsrechts-Initiative vors Volk. Sie würde die Wohnungssituation verschärfen statt zu lindern. Die Zürcher Handelskammer lehnt sie klar ab.

Das Thema Wohnen dominiert in Zürich in nächster Zeit die politische Agenda. Gleich fünf Vorlagen stehen in den kommenden Monaten an: drei Eingriffe in den Markt – Vorkaufsrecht, Mietpreisdeckel und eine staatliche Wohnbaugesellschaft – sowie zwei Vorlagen zur Förderung des Wohneigentums. Als erste gelangt am 30. November 2025 die Vorkaufsrechts- Initiative an die Urne.

Die Vorkaufsrechts-Initiative will Gemeinden ein umfassendes Vorkaufsrecht geben. Sie könnten Grundstücke und Liegenschaften in Bauzonen vor privaten Käufern übernehmen, um gemeinnützigen Wohnraum zu schaffen. Was als Entlastung gedacht ist, erweist sich als Scheinlösung: Es entsteht kein einziger zusätzlicher Quadratmeter dringend benötigter Wohnraum – stattdessen steigen Unsicherheit, Kosten und Verzögerungen für Käufer und Investoren. Die Initiative erlaubt Gemeinden, private Kaufverträge zu den vereinbarten Bedingungen zu übernehmen; vertragliche Vorkaufsrechte würden übersteuert. Das schafft falsche Anreize und schwächt die Investitionsbereitschaft. Mit anderen Worten: Die Initiative mag auf den ersten Blick gut erscheinen. Genaueres Hinsehen entlarvt indes die vielfachen Nachteile.

Eingriff in Eigentumsrechte

Ein gesetzliches Vorkaufsrecht ist ein schwerwiegender Eingriff in die Eigentumsfreiheit. Verkäufer und Käufer müssen in einer monatelangen Schwebe verharren, ob eine Transaktion zustande kommt. Für die Käuferseite bedeutet dies: Due-Diligence, Finanzierung und Projektplanung laufen auf eigenes Risiko. Das erhöht die Transaktionskosten und reduziert die Zahl derjenigen, die überhaupt noch investieren wollen – mit negativen Folgen für die Bautätigkeit.

«Nötig sind schnellere Verfahren, mehr bauliche Ausnützung in den Zentren und klare Regeln für Ersatzneubauten.»

Preistreibende Wirkung

Tritt der Staat als Bieter mit öffentlichen Mitteln auf, steigen die Erwartungen der Verkäufer. Es entsteht ein Bieterwettbewerb zwischen Gemeinden und Privaten. Schon heute zeigt die Praxis, dass öffentliche Käufer oft Höchstpreise bezahlen. Das treibt das allgemeine Preisniveau nach oben – zulasten von Mietern, Steuerzahlern und künftigen Wohneigentümern. Gleichzeitig schrumpft das frei verfügbare Angebot. Gewinnund Erneuerungsprojekte werden seltener realisiert, Sanierungen verschoben.

Verzögerungen statt Wohnungen

Ein Vorkauf verschiebt zunächst nur Eigentum. Bis eine Gemeinde ein Grundstück bebaut oder an einen Träger weitergibt, verstreicht Zeit – Vergabeverfahren, politische Beschlüsse und mögliche Einsprachen dauern. Damit wird dringend benötigter Wohnraum später bereitgestellt als bei privaten Bauträgern. Für Wohnungssuchende bleibt die Knappheit bestehen, die Angebotsmieten steigen weiter. Die Faktenlage zeigt klar auf: nur mehr Angebot kann die Situation auf dem Wohnungsmarkt entlasten.

«Die Vorkaufsrechtsinitiative schafft keine neuen Wohnungen, treibt die Preise, verunsichert Investoren und gefährdet die Attraktivität des Standorts Zürich.»

Fehlanreize und «Lock-In»

Wo Mieten künstlich tief gehalten werden, wächst die Differenz zwischen Bestands- und Angebotsmieten. Mieterinnen und Mieter verbleiben länger in günstigen Wohnungen, auch wenn sich ihr Bedarf ändert. Die Folge: weniger Umzüge, weniger freiwerdende Objekte, weniger Chancen für Familien und Zuzüger. Ein Blick nach Genf oder Lausanne – wo Vorkaufsrechte bestehen – zeigt, dass sich die Angebotsmieten auf hohem Niveau halten und die Differenz zur Bestandsmiete grösser ist als im Kanton Zürich. Das hilft Wohnungssuchenden keineswegs.

Rechtsunsicherheit hemmt Investitionen

Wer heute eine Liegenschaft kauft, muss befürchten, trotz Aufwand am Ende übersteuert zu werden. Solche Unsicherheiten führen zu tieferen Investitionen, insbesondere bei irreversiblen Projekten wie Ersatzneubauten. Ein Vorkaufsrecht verschärft diese Unsicherheit und dämpft die Bautätigkeit. Bei stagnierendem Angebot und wachsender Nachfrage steigen die Mieten – der Wohnraummangel verschärft sich. 

Die Herausforderungen in den kommenden Abstimmungen sind gross. Die kombinierte Wirkung aus Vorkaufsrecht, Miepreisdeckel und staatlicher Wohnbaugesellschaft wäre eine deutliche Regulierungsverschärfung – mit negativen Folgen für Investitionsbereitschaft und Erneuerung des Bestands. Analysen zeigen seit Jahren: Hemmnisse liegen primär in langwierigen Bewilligungsverfahren, Einsprachen, Auflagen und fehlender Planungssicherheit. Wer bauen will, braucht verlässliche Rahmenbedingungen – nicht zusätzliche Hürden.

Pragmatischer Gegenvorschlag 

Auch der Regierungsrat schlägt vor, die bestehende Wohnbauförderung zu stärken, statt in Eigentumsrechte einzugreifen. Der Rahmenkredit für zinslose oder zinsgünstige Darlehen soll gemäss des vom Kantonsrat angenommen Gegenvorschlags von 180 auf 360 Millionen Franken verdoppelt werden; dank Mitfinanzierung der Gemeinden ergäbe sich ein Förderrahmen von rund 720 Millionen Franken. Das ist zielgerichtet, planbar und lässt Projekte schneller realisieren als ein Vorkaufsrecht. 

Bauen statt blockieren 

Für Unternehmen ist Wohnraum ein zentraler Standortfaktor. Der Kanton Zürich steht im Wettbewerb um Fachkräfte; er bleibt nur attraktiv, wenn ausreichend Wohnungen entstehen. Planwirtschaftliche Eingriffe sind kontraproduktiv. Nötig sind schnellere Verfahren, mehr bauliche Ausnützung in den Zentren und klare Regeln für Ersatzneubauten – kurz: eine Angebotsstrategie, die baut statt blockiert. Dazu gehört auch eine bessere Nutzung von Arealreserven, die Aktivierung von Bauland durch Anreize und Priorität für Projekte mit hoher Ausnützung dort, wo Infrastruktur bereits vorhanden ist.

Die demografische Entwicklung verstärkt den Druck zusätzlich: Mit einer alternden Bevölkerung und anhaltender Zuwanderung in den Arbeitsmarkt wächst die Zahl der Haushalte weiter. Der Standort Zürich bleibt nur dann wettbewerbsfähig, wenn genügend Wohnungen in verschiedenen Preissegmenten bereitstehen – für Lernende, Fachkräfte, Familien sowie für Seniorinnen und Senioren gleichermassen. Wer die Angebotsseite schwächt, riskiert Abwanderung von Wertschöpfung und eine Zunahme der Pendeldistanzen.

Die Zürcher Handelskammer lehnt die Vorkaufsrechts-Initiative klar ab. Sie schafft keine neuen Wohnungen, treibt die Preise, verunsichert Investoren und gefährdet die Attraktivität des Standorts Zürich. Die ZHK unterstützt stattdessen den pragmatischen Gegenvorschlag und fordert eine Wohnpolitik, die Bauland effizient nutzt, Verfahren beschleunigt und Investitionen ermöglicht. Nur mit mehr Angebot lässt sich die Wohnungsknappheit wirksam lindern.
 

Am Montag, 29. September 2025, referiert Regierungsrätin Carmen Walker Späh an einem Anlass der Zürcher Handelskammer zur Vorkaufsrechts-Initiative. Anschliessend bringt Ursina Kubli, Leiterin Immobilien Research bei Zürcher Kantonalbank, eine Einschätzung zur allgemeinen Entwicklung und zur Wirkung der Initiative. Auf dem Podium diskutieren zum Abschluss Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik kontradiktorisch über Chancen und Risiken der Vorlage.
 

Mehr Informationen und Anmeldung: vorkaufsrechtinitiative.events.zhk.ch

Zurück zur Übersicht