KI ist kein Zukunftsthema mehr – sie ist da. Und sie verändert unsere Arbeitswelt so schnell wie kaum eine andere Technologie zuvor. Dies wurde am Anlass «Chancen von KI erkennen und nutzbar machen» der Zürcher Handelskammer und Google Schweiz am 22. Mai deutlich. Christine Antlanger-Winter, Country Director Google Schweiz, betonte, wie rasant das Tempo der Veränderung ist – und freute sich über das grosse Interesse – fast 100 Interessierte kamen an den Anlass bei Google an der Europaallee. Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Bildung und Forschung diskutierten darüber, wie Unternehmen Künstliche Intelligenz sinnvoll und gewinnbringend einsetzen können: praxisnah und ohne technisches Vorwissen.
KI als Katalysator für neue Ideen
Prof. Dr. Reto Hofstetter, Professor für Executive Education und Marketing an der Universität St. Gallen, eröffnete den Anlass mit einem pointierten Impulsreferat. Er zeigte auf, wie KI im Alltag von Unternehmen bereits heute konkrete Entlastung von 50 Prozent oder mehr bringt – etwa im Positionieren von Brands, in der Inhaltserstellung im Marketingbereich oder im Kundenkontakt. In der Diskussion ergänzte er, dass KI auch in der personalisierten und dennoch effizienten Kommunikation nützlich sei: «Dank KI in E-Mails kann ich skalierbar höflicher werden», sagte Hofstetter mit einem Augenzwinkern. Viel entscheidender sei aber: «Sobald das Basisverständnis für KI da ist, entstehen neue Ideen fast von selbst.»
Zusammenarbeit als Schlüssel
Mario Fürst, Country Programm Manager Xcelerator bei Siemens, betonte auf dem Podium die Bedeutung des Austauschs: «Es geht nur miteinander. Wir brauchen ein Ökosystem der Gedanken.» Damit meinte er die Verbindung von Start-ups, KMU und Konzernen, die gemeinsam an KI-Lösungen arbeiten. Siemens setze dabei gezielt auf Community-Building – auch intern etwa in Form von Festivals, bei denen Mitarbeitende ihre Ideen präsentieren. Fürst meinte weiter: «Man staunt, wie viel KI-Kompetenz bereits in den Unternehmen vorhanden ist – oft dank Einzelpersonen, die sich einfach reingefuchst haben.»
Die Herausforderung sei es, dieses Know-how gezielt mit dem operativen Geschäft zu verbinden. Evelyn Leu, Lead Education Managerin bei Google, pflichtete bei: «Du musst im Unternehmen die KI-Expertise mit dem Business zusammenbringen. Diese Verknüpfung ist die eigentliche Herausforderung.»
Lernen, vernetzen, anwenden
Einig waren sich alle Podiumsteilnehmenden: Ohne Neugier und Lernbereitschaft geht es nicht. «KI ersetzt keine Menschen – aber sie ersetzt Menschen, die nicht wissen, wie man mit KI arbeitet», brachte es Leu auf den Punkt. Gerade angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels bietet KI eine historische Chance: Sie kann Produktivität steigern und den demografischen Druck lindern.
Die Bildung müsse dafür niederschwellige Zugänge bieten. Leu sprach sich für sogenanntes «Microskilling» aus – kleine, praxisnahe Lerneinheiten statt grosser Diplome. Gleichzeitig müssten Unternehmen Raum für Experimente schaffen. Hofstetter rief dazu auf, keine Angst vor Fehlern zu haben: «Trial and error ist bei KI nicht nur erlaubt, sondern nötig.»
Von der Theorie zur Praxis
Ein Highlight des Gesprächs waren die vielfältigen Praxisbeispiele. Mario Fürst erwähnte etwa die visuelle Qualitätskontrolle bei der Gipfeli-Produktion – ein Szenario, bei dem KI Routineaufgaben übernimmt, während Menschen sich auf kreative oder zwischenmenschliche Tätigkeiten konzentrieren können. Evelyn Leu ergänzte, dass der Einstieg oft einfacher sei als gedacht: «Es gibt eine riesige Auswahl an Tools. Am besten startet man mit jenen, die Grundlagen vermitteln.»
Mario Fürst brachte es so auf den Punkt: «Zeit ist endlich – hier hat KI enormes Potenzial.» Doch das bedeute auch: «Bauen Sie Communities. Nutzen Sie Schwarmintelligenz. Seien Sie neugierig.»
Jetzt handeln
Zum Abschluss forderte Prof. Hofstetter ein Umdenken bei Führungskräften: «Viele sagen ‘Datenschutz ist wichtig’, handeln aber nicht entsprechend. Beim Umgang mit KI braucht es mehr als Lippenbekenntnisse.» Datenschutz-Aspekte müssten sauber geprüft werden und es brauche interne Kriterien im Umgang mit diesem Thema. Dieser Aspekt dürfe aber nicht die Entwicklung blockieren. Wer in der heutigen Dynamik abwarte, riskiere, den Anschluss zu verlieren.
Raphaël Tschanz, Direktor der Zürcher Handelskammer, fasste es bei der Verabschiedung so zusammen: «Die Herausforderung ist gross, aber die Chancen sind es auch. Jetzt ist der richtige Moment, um mitzugestalten.» Tschanz wies zudem auf die niederschwelligen Google Career Certificates hin, die Mitgliedern der Zürcher Handelskammer kostenlos offen stehen. Es handelt sich um praxisorientierten Onlinekurse, mit denen sich digitale Kompetenzen gezielt aufbauen und erweitern lassen – insbesondere auch zum Thema KI.
Beim anschliessenden Frühstück nutzten viele Gäste die Gelegenheit, das Gehörte zu vertiefen – ganz im Sinne des Community-Gedankens, der sich wie ein roter Faden durch den Anlass zog.