Am 2. April trat eine neue US-Zollregelung in Kraft: Zehn Prozent Einfuhrzölle weltweit. Gleichzeitig wurden sogenannte «reciprocaltariffs» eingeführt auf Länder mit angeblich unfairen Handelspraktiken. Für die Schweiz waren 31 Prozent vorgesehen. Kurz darauf wurden diese länderspezifischen Zölle für 90 Tage pausiert. Für die Schweiz heisst das aktuell 10 Prozent Zoll zusätzlich zu den bestehenden und ein enges Zeitfenster für längerfristige Lösungen.
Warum Trump Zölle einsetzt
Schon in den achtziger Jahren beklagte sich Donald Trump, dass die USA von ihren Handelspartnern über den Tisch gezogen werden. Heute, an der Spitze seiner politischen Macht, versucht er mit Vehemenz, diesen Umstand zu adressieren. Sein Vorgehen folgt einem klaren Muster. Er verhandelt nach der Logik seines Buches «The Art of the Deal». Die Strategie ist einfach, aber effektiv. Zuerst kommt die maximale Drohung, dann folgt eine weitere Eskalation. Sobald das Gegenüber destabilisiert ist, beginnt das eigentliche Verhandeln. Der Präsident erhofft sich dabei erstens einen Zeitgewinn, indem die Länder das Schlimmste befürchten und gleich mit ihrem bestmöglichen Angebot nach Washington reisen, anstatt – wie gewöhnlich – in einem iterativen Prozess zu verhandeln. Zweitens setzt er damit eine Zahl, einen Ankerpunkt in den Raum, der viel höher ist als erwartet: Für die Schweiz steht jetzt die Zahl 31 % im Raum, wir sind schockiert und wären in einem ersten Moment fast froh, wenn wir «nur» bei 10 % landen würden, auch wenn das mehr als viermal höher ist als der durchschnittliche Zollsatz für Schweizer Exporte in die USA vor dem 2. April.
Trumps gesamte Zollpolitik verfolgt eine Strategie, die von aussen betrachtet chaotisch erscheint. Er benutzt Zölle, um verschiedene, auch nicht handelspolitische Themen zu adressieren, oder frei nach Maslow: «Wer einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel»:
i.) die Eindämmung der Migrations- und Fentanylströme in die Vereinigten Staaten (Kanada, Mexiko und China),
ii.) die Sicherstellung einer heimischen Produktionsbasis für Güter, die im Krisenfall als sicherheitsrelevant gelten (z. B. Chips, Stahl, Aluminium, bestimmte Arzneimittel),
iii.) die Sicherstellung von gleichwertigem Marktzugang für US-Produkte, indem tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse adressiert werden («fair and reciprocal»),
iv.) die Förderung von Arbeitsplätzen und Investitionen in den USA sowie
v.) das Generieren zusätzlicher Staatseinnahmen.
Schweizer Unternehmen schaffen in den USA viel Mehrwer
Hat die Schweiz etwas zu bieten? Reichlich. We punch above our weight, wie es so schön heisst. Über 500 Schweizer Firmen mit rund 4000 Standorten haben mehr als eine halbe Million Arbeitsplätze geschaffen und bezahlen das höchste durchschnittliche Jahresgehalt von 131’000 US-Dollar. Wir sind der sechstgrösste ausländische Direktinvestor in den USA und sind führend bei den Investitionen in Forschung und Entwicklung. Schweizer Unternehmen schaffen Mehrwert in den USA, für die Wirtschaft sowie für die Gesellschaft. Die Schweiz hat einseitig ihre Industriezölle abgeschafft, womit 99 % der US Produkte zollfrei in die Schweiz kommen. Handelsgewichtet, also inklusive Landwirtschaft, betragen die durchschnittlichen Zölle für US-Exporte in die Schweiz 1,7 %. Die Schweiz importiert 14-mal mehr Waren aus den USA pro Kopf als die USA von uns. Wenn man Dienstleistungen miteinbezieht, ist die Handelsbilanz zwischen der Schweiz und den USA weitgehend ausgeglichen. Die USA sind der wichtigste Einzelmarkt für Schweizer Exporte. Ein zehnprozentiger Zoll auf Exporte in die USA für Unternehmen eine Kostensteigerung, die entweder auf die Marge drückt oder an Kunden weitergegeben wird. Oder eine Mischform davon. In jedem Fall wird das Unternehmen weniger wettbewerbsfähig. Das betrifft sowohl Grosskonzerne als auch KMU, die oft hochspezialisiert sind und lediglich in der Schweiz produzieren. Hinzu kommt: Wer international im Wettbewerb steht, muss auch international konkurrenzfähig bleiben. Schon ein kleiner Unterschied bezüglich der Zollkosten oder der regulatorischen Hürden kann den Ausschlag geben, ob ein Auftrag nach Winterthur oder nach Wisconsin geht.
Strategisch denken und faktenbasiert argumentieren
Des Weiteren geht es nicht nur um die Abschaffung von Zöllen. Wichtig ist auch die Diskussion über nichttarifäre Handelshemmnisse. Gemeinsam mit den USA können wir gezielt Regulierungen adressieren, die Importe verhindern oder verteuern. Ein weiterer Punkt ist, dass die USA auf Reindustrialisierung setzen. Dabei geht es nicht nur um Fabriken, sondern um Know-how, Innovation und Ausbildung. Genau hier können Schweizer Unternehmen herausstechen. Unsere dualen Ausbildungsmodelle werden in den USA bereits übernommen, unsere Technologie ist gefragt. Wer in den USA produziert, schafft nicht nur Arbeitsplätze, sondern bringt auch Wissen. Unser Ziel ist klar: Wir wollen nicht schlechter dastehen als vor dem 2. April. Und falls wir den Marktzugang für US-Produkte in die Schweiz weiter verbessern, soll der Zollsatz für Schweizer Produkte in die USA 0 % betragen. Wenn wir das schaffen, stärken wir nicht nur einzelne Branchen, sondern den gesamten Standort Schweiz. Wir müssen strategisch denken, faktenbasiert argumentieren und zur richtigen Zeit die richtigen Signale senden.
Ich bin überzeugt, dass die 90 Tage Pause der Zölle eine Herausforderung darstellen, aber auch eine Chance. Jetzt ist der Moment, all das zu nutzen, nicht nur, um Zölle zu senken, sondern um unsere Position langfristig zu stärken. Denn eines hat die jüngste Entwicklung gezeigt: Wer wirtschaftlich investiert, wird politisch gehört. Und wer strategisch kommuniziert, wird ernst genommen.