Wir müssen wieder lernen, Leistung zu feiern

Wo sehen Unternehmerinnen und Unternehmer Stärken des Standorts Zürich – und wo Handlungsbedarf? Vier Führungspersönlichkeiten geben Antworten: Manuela Beer, CEO PKZ, Béatrice Schaeppi, CEO und VRP Schaeppi Grundstücke, Theo Schaub, VRP Schaub Maler AG, und Thomas Züger, CEO OBT.

Wo sehen Sie die grössten Stärken Zürichs im internationalen Vergleich?

Manuela Beer: Zürich ist ein dynamisches Wirtschaftszentrum mit internationaler Ausstrahlung und kurzen Distanzen. Die Stadtzeichnet sich durch Spitzenleistungen in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Technologie, Bildung, Forschung und Entwicklung aus. Hinzu kommt ein attraktives Retail‑ und Kulturangebot, das sowohl Einwohner als auch internationale Besucher anzieht. Die hohe Lebensqualität mit See und Alpen lockt Talente an und fördert unternehmerische Kreativität.

Theo Schaub: Ein weiterer Vorteil ist die Internationalität: Viele Zürcherinnen und Zürcher sprechen auch Englisch, Italienisch oder weitere Sprachen. Das macht den Standort attraktiv für internationale Unternehmen. Zudem ist Zürich hervorragend angebunden – sei es durch den Flughafen oder das Bahnnetz in Richtung Deutschland, Frankreich, Italien oder Österreich.

Und wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Thomas Züger: Verglichen mit der internationalen Konkurrenz bereitet Sorgen, dass wir punkto Wachstumsrate gegenüber China, Amerika und anderen Ländern ins Hintertreffen geraten. Wir sind herausgefordert. Eine Spitzenposition zu halten ist schwieriger, als von hinten anzugreifen. Es gilt daher, wachsam zu sein und zu verhindern, dass wir satt werden. Ich behaupte nicht, dass wir das
schon sind. Aber eine gewisse Revitalisierungtäte gut.

Béatrice Schaeppi: Handlungsbedarf sehe ich bei der Behandlung von internationalen Firmen,Steuerthemen und zum Teil leider auch beim Föderalismus, zum Beispiel mit den unterschiedlichen Bauvorschriften je nach Kanton und Gemeinde, was vieles erschwert.

Einen qualitativ hochwertigen Standort zeichnet auch die Verfügbarkeit von erschwinglichem Wohnraum aus. Was braucht es, damit für die wachsende Bevölkerung genügend bezahlbarer Wohnraum entsteht?

Béatrice Schaeppi: Es braucht Verdichtung, damit höher und grösser gebaut werden kann. Dafür braucht es weniger einschränkende Gesetze, zum Beispiel in den Bereichen Lärmschutz, ISOS (Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz), Brandschutz und vielem mehr. Einsprachen, die rein auf Verzögerung aus sind, sollten nicht mehr möglich sein. Auch die Verfahren für die Baubewilligungen sollten schneller abgewickelt werden. Hier hoffe ich auf KI, die in diesem Bereich in Zukunft viel Vorarbeit leisten kann.

Theo Schaub: Das Problem ist nicht der fehlende Wohnraum per se, sondern die einschränkenden Vorgaben. Verdichtung wird durch zu hohe bürokratische Hürden erschwert. Eine Lösung wäre auch, das Wachstum nicht nur auf die Stadt Zürich zu fokussieren, sondern verstärkt in Regionalzentren mit guter Infrastruktur und öV‑Anbindung zu investieren – etwa in Bülach, Uster, Wetzikon oder Wädenswil.

Der Fachkräftemangel dürfte sich mit dem Ausscheiden der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt verschärfen. Welche Lösungen sind aus Ihrer Sicht notwendig?

Thomas Züger: Der Kanton Zürich sollte das Inländerpotenzial besser nutzen. Attraktive Rahmenbedingungen für Eltern, insbesondere bei der Kinderbetreuung, könnten dazu beitragen, dass mehr Frauen mit höheren Pensen oder Vollzeit arbeiten. Zudem müssen arbeitsrechtliche Vorgaben flexibler gestaltet werden, um ortsunabhängiges Arbeiten zu erleichtern.

Manuela Beer: Wir müssen in Bildung und Ausbildung investieren, um junge Talente mit den richtigen Qualifikationen auszustatten. Bei PKZ setzen wir auf das duale Berufsbildungssystem und die kontinuierliche Weiterbildung unserer Mitarbeitenden. Gleichzeitig braucht es eine pragmatische Einwanderungspolitik, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen. Digitalisierung und Automatisierung helfen zusätzlich, Prozesse effizienter zugestalten und Fachkräfte gezielt für wertschöpfende Aufgaben einzusetzen. Zürich gilt als Innovationsstandort.

Wie kann sichergestellt werden, dass der Kanton in Zukunft an der Spitze bleibt?

Béatrice Schaeppi: Internationale Firmen müssen sich einfach ansiedeln können. Es braucht genügend Wohnraum, eine gute Gesetzgebung sowie eine Offenheit von Politik und Gesellschaft, Innovation und Digitalisierung zuzulassen und zu fördern. Dazu braucht es auch eine gute Öffentlichkeitsarbeit im In‑ und Ausland, um auf uns aufmerksam zu machen.

Theo Schaub: Zentrale Pfeiler sind die ETH Zürich, die Universität Zürich und die Fachhochschulen. Wir müssen sicherstellen, dass diese Institutionen weiterhin auf höchstem Niveau arbeiten können. Zudem braucht es eine gezielte Förderung von Spin‑offs – sei es durch kostengünstige Räumlichkeiten, rückzahlbare Darlehen als Startkapital oder administrative Erleichterungen in den ersten Jahren.

Wie wichtig sind stabile Beziehungen zur EU für den Standort Zürich?

Manuela Beer: Die EU ist ein zentraler Markt für den Detailhandel und Schweizer Marken, sowohl in der Warenbeschaffung als auch im Absatz. Stabile Beziehungen sind essenziell für die Rekrutierung von Fachkräften und den Zugang zu Forschungsgeldern. Die Bilateralen III sind daher ein Muss, um wirtschaftliche und rechtliche Klarheit zu schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zu stärken. 

Thomas Züger: Was niemandem etwas bringt, ist das ständige Bashing der EU. Idealerweise können die bilateralen Verträge auf geeignete Weise weiterentwickelt werden. Die EU ist unser grösster Handelspartner, und viele Zürcher Unternehmen sind auf den Zugang zum Binnenmarkt angewiesen. Die Unsicherheiten im Verhältnis Schweiz‑EU sind schädlich für Investitionen. Aber auch die EU muss sich bewegen: Es trifft zu, dass sie die Bürokratie stark aufgebläht hat. Das muss reduziert werden.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung der Regulierung in der Schweiz und im Kanton Zürich?

Béatrice Schaeppi: Meines Erachtens sind wir massiv überreguliert. Wir versuchen überall, Gesetze anzuwenden und neu zu erschaffen. Dies unterbindet oft Innovation und vor allem auch das benötigte Tempo. Es werden insbesondere im Immobilienbereich viele Bauten erschwert, be‑ oder gar verhindert. 

Thomas Züger: Die Regulierung nimmt immer weiter zu, und das hemmt Innovationen. Wir müssen uns fragen: Brauchen wir wirklich jede dieser Regulierungen? Unternehmen brauchen Flexibilität, um neue Ideen umzusetzen. Wenn der Staat Unternehmen mit zu vielen Vorschriften einengt, suchen sie sich andere Standorte. Mir fehlt die strategische Sicht – wir sind zu fest vom Tagesgeschäft absorbiert. Es ist auch eine Mentalitätsfrage: Wir müssen wieder lernen, Leistungen zu zelebrieren, zu feiern. Erfolg und Leistungen müssen wieder positiv besetzt werden.

Was muss aus Ihrer Sicht geschehen, damit Zürich auch in 20 Jahren noch ein führender Wirtschaftsstandort ist?

Theo Schaub: Es braucht mehr Visionen und Mut. Mehr Mut zu Innovation und Offenheit – auch gegenüber neuen Technologien. Wir brauchen ein gutes Angebot an Arbeits‑ und Wohnräumen, Investitionen in die Infrastruktur und den öffentlichen Verkehr. Gleichzeitig müssen wir der Abwanderung von Unternehmen und Steuerzahlern entgegenwirken. Und vor allem braucht es konstruktive Lösungen, die den Standort langfristig stärken - statt parteipolitischer Grabenkämpfe.

Manuela Beer: Ein unternehmensfreundliches Klima mit wettbewerbsfähigen Steuern, bezahlbaren Geschäftsflächen und einer starken Forschungslandschaft ist essenziell. Zudem sollten Digitalisierung und Innovation gezielt gefördert werden. Eine nachhaltige Stadtentwicklung und pragmatische Einwanderungspolitik sind ebenso wichtige Faktoren für den langfristigen Erfolg des Standorts.

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