Wohnraum-Krise droht sich zu verschärfen

Am Frühstücksanlass der Zürcher Handelskammer wurde deutlich: Der Stillstand auf dem Wohnungsmarkt ist real – und überwunden werden kann er nur mit mehr faktenbasiertem Dialog und Planungssicherheit.

«Zürich braucht dringend neuen Wohnraum. Doch statt Krane und Neubauten prägen Einsprachen, Blockaden und überbordende Regulierung das Bild», sagte Raphaël Tschanz, Direktor der Zürcher Handelskammer, zur Begrüssung des Frühstücksanlasses vom 18. Juni. Unter dem Titel «Lust auf Bauen?» diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Immobilienpraxis darüber, wie Bauen attraktiver gemacht werden kann. 

In seinem pointierten Referat beschrieb Stefan Dambacher, Mitglied der Gruppenleitung und Leiter Entwicklung bei Allreal, die derzeitige Lage als zunehmend schwierig. «Wenn man nicht in die Breite kann, muss man in die Höhe gehen. Ein stärkeres Ausweichen nach oben ist unvermeidbar», stellte er klar. Doch gerade bei höherer Verdichtung steigen die Anforderungen – und damit die Angriffsfläche für Einsprachen. «Je mehr Investoren beachten müssen bei einer Baueingabe, desto mehr Angriffsfläche bieten sie. Überregulierung macht sie angreifbar für Rekurse», sagte Dambacher. Die Folge sei ein Investitionsklima, das sich zusehend jenem in Deutschland angleiche. Der Vertrauensverlust zwischen Politik, Verwaltung und Investoren sei gravierend: Es würden Feindbilder zelebriert, statt Lösungen gesucht. Stefan Dambacher zeigte sich pessimistisch: «Die Wohnraum-Krise ist da und sie wird sich massiv verschärfen in den nächsten Jahren.» 

Als konkrete und pragmatische Lösungsansätze nannte Stefan Dambacher in seinem Inputreferat drei Vorschläge: 

1) Sozialverträgliche Lösungen bei Neubauprojekten (Etappierungen, Suche nach Ersatzwohnungen, lange Fristen für Auszug, Mieterbüro etc.); 

2) Festschreiben in der Bau- und Zonenordnung BZO einer Pflicht zur Umsetzung eines 30%-Anteils für preisgünstige Wohnungen bei erheblich nachverdichteten Grundstücken mit langer Haltedauer; 

3) Eine Erhöhung des Arealbonus von 10% auf 30% bei Reduktion der Mindestgrösse eines Areals auf 3’000 m2. 

Zum ersten Punkt präzisierte der Allreal-Vertreter: «Von der Investorenseite haben wir eine Bringschuld, solche Prozesse sozialverträglich umzusetzen.»

Gefährliche Initiativen aus der linken Küche

Im anschliessenden Podiumsgespräch wurde klar, dass die Ursachen des Stillstands vielfältig sind. «Es ist ein politisch motiviertes Schlachtfeld. Man spricht mehr über das Politische als über das eigentliche Problem», kritisierte FDP-Kantonsrätin und Friedensrichterin Sonja Rueff-Frenkel. Drei linke Wohn-Initiativen würden nun diese Problematik verschärfen: Die Vorkaufsrechts-, die Wohnschutz- und die Wohnbaugesellschafts-Initiative. 

Die linke Idee, der Staat solle den Wohnungsbau vollständig steuern, ist für Sonja Rueff-Frenkel problematisch. «Die Wohnschutzinitiative, die einen Mietzinsdeckel verlangt, bedeutet, dass sich Investoren alles bewilligen lassen müssten.» Es gehe der Linken offensichtlich nicht darum, dass mehr gebaut werde, sondern darum, alles planwirtschaftlich zu organisieren.» 

Claudio Saputelli, CIO Global Real Estate bei der UBS Switzerland AG, plädierte für mehr Realismus. Heute würden viele Investoren das Regulierungsrisiko in den Städten meiden und lieber in die Agglomeration ausweichen. Die drei bevorstehenden kantonalen Wohninitiativen würden diese Entwicklung noch verschärfen. «Bei allen Initiativen geht es um ein Aufblähen des Staatsapparats.» 

Einigkeit bestand darin, dass die Nachfrage nach Wohnraum langfristig kaum zu bremsen sei. «Wir haben uns bei den Bevölkerungsprognosen verschätzt – und nichts ist passiert, um die Infrastruktur nachzuziehen», sagte Stefan Dambacher. Claudio Saputelli bekräftigte: «Wir haben ein Nachfrageproblem. Die Nachfrage ist sehr hoch. Man hat bei der Einführung der Personenfreizügigkeit vollständig unterschätzt, wie gross die Zuwanderung sein wird.» Sonja Rueff-Frenkel ergänzte: «Tatsache ist: Wir brauchen Zuwanderung. Wir haben einen Fachkräftemangel. Aber die Infrastruktur kommt nicht nach.» 

Claudio Saputelli nannte als Perspektive, dass Investoren ausweichen: «Man meidet heute einfach die Städte. Man geht lieber in die Agglomeration, wo das Regulierungsrisiko geringer ist.» In die gleiche Kerbe schlug in der Diskussion Balz Halter, Verwaltungsratspräsident der Halter AG. Und er verwies auf das Manifest von Urbanistica, das in zwölf Schwerpunkten Impulse für einen strategischen Raumplanungsansatz und einen vertiefenden Diskurs setzt.

Fürschi Züri – für eine konstruktive Entwicklung

n der Schlussrunde brachte es Raphaël Tschanz auf den Punkt: «Der heutige Austausch hat deutlich gemacht: Zürich leidet nicht an mangelnden Ideen, sondern an überbordender Regulierung und politischen Blockaden. Wenn wir das Bauen wieder in Gang bringen wollen, braucht es mehr Realitätssinn, Planungssicherheit und Vertrauen in private Investitionen.» 

Mit der Plattform «Fürschi Züri» engagiert sich die Zürcher Handelskammer genau dafür. Die Bewegung zeigt auf, wie sich der Kanton Zürich dynamisch und nachhaltig weiterentwickeln kann – mit mehr preiswertem Wohnraum, effizienteren Verfahren und einer Standortpolitik, die Zukunft ermöglicht. «Ein funktionierender Wohnungsmarkt ist zentral für die Standortattraktivität des Kantons Zürich. Wer Wohnen blockiert, gefährdet nicht nur die Lebensqualität – sondern auch die wirtschaftliche Dynamik unserer Region», betonte Raphaël Tschanz. Alle Interessierten sind eingeladen, sich der Bewegung anzuschliessen: www.fuerschi-zueri.ch/mitmachen.

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