Wohnpolitik nach dem Nein zum Vorkaufsrecht: Jetzt braucht es Konsequenz

Nach dem Nein zur Vorkaufsrechtsinitiative richtet sich der Blick nach vorne: Bereits im Juni 2026 entscheidet Zürich über vier weitere wohnpolitische Vorlagen. Zwei von ihnen setzen auf mehr staatliche Regulierung. Sie adressieren reale Herausforderungen, lösen sie aber nicht. Jetzt ist entscheidend, konsequent auf das zu setzen, was tatsächlich Wohnraum schafft: investieren, verdichten, beschleunigen – anstatt neue Hürden aufzubauen.

Das klare Nein zur Vorkaufsrechtsinitiative vom 30. November und das Ja zum Gegenvorschlag des Kantonsrats und Regierungsrats sind ein wichtiges Signal: Die Zürcher Stimmbevölkerung hat staatliche Eingriffe in Eigentumsrechte abgelehnt und sich für eine pragmatische Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus ausgesprochen. Das ist erfreulich: Gegen die Wohnraumknappheit brauchen wir gezielt eingesetzte Mittel, aber keine planwirtschaftlichen Experimente. Die Zürcher Handelskammer (ZHK) hatte im Abstimmungskampf den Gegenvorschlag unterstützt, weil er ohne Verzögerungen wirkt, ohne neue Regulierung und Risiken für Investitionen zu schaffen. Der Entscheid schafft Klarheit – doch die wohnpolitischen Herausforderungen bleiben anspruchsvoll.

Bereits im Juni 2026 folgt eine zweite Abstimmungsrunde mit grosser Tragweite. Zur Entscheidung stehen die «Wohnschutzinitiative» und der Gegenvorschlag des Kantonsrats, die «Wohnungsinitiative» sowie zwei vom Zürcher Hauseigentümerverband lancierte Vorlagen: die «Wohneigentums-Initiative» und die «Starthilfe-Initiative» für den Erwerb von Wohneigentum. Alle vier Vorlagen berühren zentrale Fragen der Wohnraumversorgung, verfolgen aber sehr unterschiedliche Ansätze – und nicht jeder dieser Ansätze führt zu mehr Wohnraum.

Es braucht mehr Wohnungen – nicht mehr Regulierung

Die Herausforderungen sind klar benannt. Der demografische Wandel beschleunigt sich markant: Bereits 2029 wird die Anzahl 65-Jähriger jene der 20-Jährigen im Kanton Zürich um 16 Prozent übersteigen. Gleichzeitig sinkt der Anteil der Erwerbsbevölkerung an der Gesamtbevölkerung. Für den Wirtschaftsstandort Zürich bedeutet dies: Der Wettbewerb um Fachkräfte wird härter, und Wohnraum wird zu einem der entscheidenden Standortfaktoren.

Der Kanton kann es sich schlicht nicht leisten, die Bautätigkeit auszubremsen. Wenn weniger gebaut wird, steigen die Mieten, Wohnraum für Familien und junge Menschen fehlt, Fachkräfte wandern ab oder kommen erst gar nicht, und die soziale Durchmischung nimmt ab. Die Bedeutung einer regen Bautätigkeit ist eindeutig dokumentiert – unter anderem in der von der Plattform «Fürschi Züri» initiierten Sotomo-Studie «Wohnraum für Zürich» (siehe QR-Code): Neubau entlastet der Markt, schafft Umzugsketten und führt nicht zu höheren Mieten im Quartier. Wer Neubau verhindert, verschärft die Knappheit.

Die Wohnschutzinitiative: Mietzinsdeckel durch die Hintertür

Besonders gefährlich ist die Wohnschutzinitiative. Sie unterstellt Abbrüche, Umbauten und Renovationen einer kantonalen Bewilligungspflicht, die weit über das heutige Recht hinausgeht. Sie fordert de facto einen Mietzinsdeckel. Was als Schutzmassnahme erscheint, bedeutet in der Praxis eine massive Einschränkung der Erneuerung des Bestands.

Gerade Ersatzneubauten sind für den Wohnungsmarkt zentral. Sie schaffen zusätzliche Wohnungen, senken den Energieverbrauch und bieten bezahlbaren Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten. Wird die Wirtschaftlichkeit solcher Projekte durch Auflagen untergraben, führt dies zu weniger Baugesuchen. Ein Blick nach Basel-Stadt zeigt dies exemplarisch: Nach Einführung strenger Wohnschutzvorschriften sind die Baugesuche um drei Viertel zurückgegangen. Zürich darf diesen Fehler nicht wiederholen.

Der Gegenvorschlag des Kantonsrats ist realistischer. Er adressiert das Thema Leerkündigungen, ohne die Erneuerung des Wohnungsbestands zu blockieren. Da Leerkündigungen statistisch nur rund ein Prozent aller Umzüge betreffen, aber für Betroffene einschneidend sind, ist eine gezielte und verhältnismässige Regulierung sinnvoller als ein systemischer Eingriff.

«Zürich braucht mehr Wohnraum. Nicht mehr Regulierung.»
 

Die Wohnungsinitiative: Staatliche Wohnbaugesellschaft als Irrweg

Mit der Wohnungsinitiative soll eine kantonale Wohnbaugesellschaft mit mindestens 500 Millionen Franken Startkapital geschaffen werden. Der Staat würde damit selbst bauen, vermieten und verwalten – und in Konkurrenz zur Privatwirtschaft treten. Da heute 95 Prozent der Wohnungen von privaten Entwicklern oder gemeinnützigen Bauträgern stammen, birgt eine staatliche Wohnbaugesellschaft erhebliche Risiken: Sie bindet Kapital, das anderswo dringend benötigt wird. Sie schafft Parallelstrukturen, statt bestehende Träger zu stärken. Und sie riskiert eine Verdrängung privater Investitionen in einem Markt, der bereits unter hoher Unsicherheit leidet. Die Wohnungsinitiative suggeriert einfache Lösungen, verschärft aber das Kernproblem: Es fehlt nicht an Akteuren. Es fehlt an Bauland, Verfahren und Planungssicherheit.

HEV-Initiativen wollen Eigentum fördern

Die Wohneigentums-Initiative des Hauseigentümerverbands Zürich (HEV) verlangt, dass Kanton und Gemeinden das selbst genutzte Wohneigentum gleich stark fördern wie den gemeinnützigen Wohnungsbau. Die Starthilfe-Initiative des HEV zielt in die gleiche Richtung: Auch sie will den Zugang zu Wohneigentum für Familien aus dem Mittelstand fördern. Sie schlägt staatlich unterstützte Finanzierungen über tiefere Eigenmittelanforderungen vor. Die konkrete Umsetzung muss noch justiert werden. Die Förderung des selbst genutzten Wohneigentums ist in der Zürcher Kantonsverfassung verankert und deshalb legitim.

Was Zürich jetzt braucht

Der Kanton Zürich steht 2026 vor einem Richtungsentscheid. Werden zusätzliche Eingriffe wie ein Mietzinsdeckel und eine neue staatliche Baugesellschaft angenommen, wird der Wohnungsbau weiter zurückgehen – mit spürbaren Folgen für Haushalte, Unternehmen und den gesamten Standort.

Zürich braucht deshalb eine Wohnpolitik, die auf wirksame Massnahmen setzt. Dazu gehören rasche und digitale Bewilligungsverfahren, eine entschlossene Aktivierung von Baulandreserven, die Förderung von Ersatzneubauten an gut erschlossenen Lagen sowie gezielte Unterstützung für gemeinnützige Bauträger, wo sie tatsächlich wirkt. Die Sotomo-Studie belegt klar, wo anzusetzen ist: Neubau wirkt – Regulierung nicht. Wir müssen bauen. Nicht blockieren.

Fazit: Bauen statt blockieren

Der Volksentscheid zum Vorkaufsrecht hat einen wegweisenden Kurs gesetzt: Förderung statt Eingriffe. Umso wichtiger ist es jetzt, diesen Weg konsequent weiterzugehen. Die Zürcher Handelskammer wird sich dafür einsetzen, dass Zürich seine wohnpolitische Zukunft nicht mit neuen Hürden verbaut.

Hier geht's zur Studie “Wohnraum für Zürich”

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