(CONNECT) Das von den USA und China am 25. und 26. Oktober 2025 vereinbarte Handelsabkommen bewerten Fachleute von Coface als fragil. Es verschaffe Aufschub im Sinne einer taktischen Waffenruhe, sei aber keine strategische Wende mit der Aussicht auf dauerhafte Garantien, heisst es von Seiten des Kreditversicherers und Risikomanagers Coface. Die im Abkommen festgehaltenen Zugeständnisse änderten nicht grundlegend den strategischen Wettbewerb zwischen den USA und China. Vielmehr erkennen die Fachleute darin das Ziel, im Rahmen der gewonnenen Zeit Engpässe zu überwinden und die gegenseitige Abhängigkeit schrittweise zu verringern
Die USA verlängern die Aussetzung eines reziproken Zolls von 24 Prozent bis zum 10. November 2026. Der Gesamtzollsatz sinkt auf 31 Prozent. Im Gegenzug nimmt China möglicherweise Zölle von 10 bis 15 Prozent auf Agrarprodukte aus den USA zurück.
Die USA verzichten auf die 50-Prozent-Regel für assoziierte Firmen, die darauf abzielt, Schlupflöcher zu schliessen: Dadurch können Unternehmen Exportkontrollen durch Umwege über Tochtergesellschaften umgehen. Andererseits verschiebt China die geplante Exportkontrolle für fünf weitere Seltene Erden um ein Jahr. Das Land weitet den Kauf von Sojabohnen, Vieh und Gemüse aus den USA aus. Beide Seiten verpflichten sich, die gegenseitigen Seehafengebühren für ein Jahr auszusetzen. Präsident Trump besucht China im kommenden April, im Anschluss daran kommt Präsident Xi in die USA.
Mit seinen Zugeständnissen vermeidet China laut Coface weitere Exportkontrollen der USA für sogenannte kritische Software. Dazu zählen Komponenten, die für die Chip-Produktion unerlässlich sind. Mit diesem Schritt hatte Trump als Vergeltungsmassnahme für Chinas verschärfte Beschränkungen bei Seltenen Erden gedroht. In der Folge wären zusätzliche Engpässe entstanden, die Chinas Streben nach technologischer Unabhängigkeit entgegengestanden hätten – einer Priorität, die im kürzlich entworfenen 15. Fünfjahresplan (2026-2030) hervorgehoben wurde. Zudem brauche China wegen des Überangebots im Land kostengünstigeren Zugang zu ausländischen Märkten, heisst es.
Coface betont auch den Vorteil für die USA. Nun sei ein weiteres Jahr Zeit, um Lieferketten zur Versorgung mit Seltenen Erden ausserhalb Chinas aufzubauen. Washington vertiefe bereits seine Partnerschaften mit Ländern wie Japan, Malaysia und Vietnam. Von Zöllen auf weitere Seltene Erden wären politisch wichtige Bereiche der US-Fertigungsindustrie wie die Verteidigungs- und Autobranche stark betroffen.
Auch wenn die Zollsenkung chinesische Exporte von Textilien, Spielzeug und Waren mit niedrigen Margen anschieben könnte, erwarten die Fachleute hier nur eine leichte Belebung. Dieser Effekt könnte zu Teilen dadurch ausgeglichen werden, dass sich die Umleitung von Produktionsketten über Drittländer wie Vietnam und Indien reduziert.
Die Aussetzung neuer Beschränkungen der USA für kritische Software verschafft Chinas Halbleiterindustrie zwar etwas Luft. Aber fehlende Zugeständnisse der USA bei High-End-Chips halten Engpässe aufrecht. Bezüglich Seltener Erden und strategischer Industrien bleibt für die USA die strukturelle Abhängigkeit bestehen, da China fast 90 Prozent der weltweiten Raffination kontrolliert. Im Fazit hält Coface die langfristige Beständigkeit des Abkommens für nicht glaubwürdig genug, um Anreize für die Umgestaltung der globalen Lieferketten zu schaffen.
Die Landwirtschaft der USA könnte ob der angekündigten Mengen zunächst Auftrieb bekommen. Im Fokus steht hier insbesondere die Sojabohnen-Produktion. Doch Coface weist darauf hin, dassder Trend hierdurch wohl kaum gebrochen werden könne. Der Soja-Export liege unter dem historischen Durchschnitt, China baue weiterhin auf Ersatzlieferanten aus Brasilien. Deshalb sei der Verlust von Marktanteilen in China kaum zu stoppen, selbst wenn das Abkommen Bestand habe.
Risiken liegen laut der Coface-Analyse insbesondere in Bereichen, die ihren Weg nicht in das Abkommen gefunden haben. Im Kontrast zu den Rahmenabkommen mit der EU, mit Japan und Südkorea gab es in diesem Fall keine Einigung über sektorspezifische Zölle. Infolgedessen bleibt China potenziellen Zöllen auf Elektronik, Arzneimittel und Möbel ausgesetzt.
Als potenzielles Druckmittel wird mit Blick auf die USA zudem angeführt, dass es keine Aussagen zu Exportbeschränkungen für hochentwickelte Chips oder zu militärischen Verpflichtungen gegenüber Taiwan gebe. Gleichzeitig blieben Firmen aus den USA anfällig für chinesische Anti-Dumping-Massnahmen bei analogen Chips. Denn China könnte nach Ende seiner Antidumping-Untersuchung gegen Chips aus den USA in etwa einem Jahr Antidumping-Zölle in ähnlicher Höhe verhängen, wie es kürzlich bei der Entscheidung über EU-Brandy der Fall war.
Insgesamt geht Coface davon aus, dass die beiden Volkswirtschaften den langfristigen Weg der allmählichen Entkopplung fortsetzen und gleichzeitig in naher Zukunft weiterhin in hohem Masse voneinander abhängig bleiben. „Unternehmen müssen wachsam bleiben, da die Fragmentierung der Wertschöpfungsketten anhält. Der strategische Wettbewerb zwischen den USA und China bleibt ein erhebliches Risiko für den Welthandel,“ so Junju Tan, Coface-Volkswirt für Nordasien.
Das Abkommen mit China ist laut Coface im weiteren Kontext ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der USA, multilaterale Handelssysteme durch bilaterale Strategien zu durchkreuzen. Zuletzt zeigte sich dies bei den Vereinbarungen in Zollfragen zwischen den USA und der Schweiz – einem Land, das sich aus pragmatischer Notwendigkeit stark auf Bilateralismus stützt. Während die Auswirkungen des China-Deals auf die Schweiz wohl gering ausfallen dürften, bringen individuelle Verhandlungen mit verschiedenen Partnern tendenziell Unsicherheit in die globale Landschaft. Laut der Fachleute bleibt offen, inwieweit diese Strategie in einem neuen Gefüge tatsächlich den Einfluss der USA sichert.
Coface unterstützt als Kreditversicherer und Risikomanager Schweizer Unternehmen seit 1995 bei ihrer internationalen Entwicklung und betreibt Standorte in Zürich und Lausanne. ce/mm/ug

