«Die Blockierung von Sanierungen und Neubauten ist kontraproduktiv. Ohne Neubauten werden junge Erwachsene und Familien verdrängt. Dies zeigt die Studie eindrücklich.» Mit diesen Worten eröffnete Raphaël Tschanz, Direktor der Zürcher Handelskammer, den Anlass. Zürich brauche mehr Wohnraum – und einen konstruktiven, faktenbasierten Dialog. Genau dafür habe die Zürcher Handelskammer die Plattform «Fürschi Züri» ins Leben gerufen.
Überraschende Resultate
Michael Hermann, Geschäftsführer des Forschungsinstituts Sotomo, betonte, selten gebe es Studien, «die einem auch selbst überraschen». Genau dies sei ihm aber mit der Studie «Wohnraum für Zürich» passiert. Die Daten zeigen gemäss Michael Hermann: In Neubauten kommen nur 8 Prozent der Bewohner direkt aus dem Ausland, drei Viertel seien seit mindestens zehn Jahren in der Schweiz, eine Mehrheit mit Schweizer Pass. Hermann schlussfolgerte: «Neubauten helfen primär den Einheimischen, in eine bessere Wohnung zu kommen.» Die mittlere Umzugsdistanz in Neubauwohnungen beträgt weniger als 5 Kilometer – die meisten ziehen direkt aus der Nachbarschaft zu. Jede bezogene Neubauwohnung löse zudem Umzugsketten aus: «Für jede Person, die in einen Neubau zieht, finden zwei weitere in der Agglomeration Zürich eine Wohnung.» Leerkündigungen seien zwar ein Schicksal, «aber ein Schicksal, welches erstaunlich wenig Leute betreffe. Nur knapp 1 Prozent der Umzüge geht auf Leerkündigungen zurück. Und zum Vergleich mit der Romandie hielt Hermann fest: In Genf und Lausanne würden nach Abbrüchen «viel mehr und viel grössere Volumen hingestellt», die Effizienz von Ersatzneubauten sei höher; in Zürich bestehe «wahnsinniger Nachholbedarf».
Kluge Rezepte gefragt – statt Blockaden durch Vorkaufsrecht oder Mietzinsdeckel
Auf dem Podium ordneten in der Folge drei Kantonsratsmitglieder ein, was nötig ist, um das Bauen einfacher und attraktiver zu machen: Christa Stünzi, Kantonsrätin und Fraktionspräsidentin GLP, Marcel Suter, Kantonsrat SVP und Präsident der Kommission für Wirtschaft und Abgaben, sowie FDP-Kantonsrat Mario Senn. Zu reden gaben auch die drei Initiativen aus dem linken Lager, die in nächster Zeit zur Abstimmung kommen, zuerst am 30. November die Vorkaufsrechtsinitiative, 2026 dann die Initiativen für einen Mietzinsdeckel und für die Schaffung einer kantonalen Wohnbaugesellschaft.
Für Christa Stünzi ist gut, «dass wir die Diskussion führen». «Nicht gut ist, ist dass man noch nicht konstruktiv diskutiert. Die Diskussion ist zu stark ideologisch geprägt.» Für sie gilt es zu akzeptieren, dass sich Dorfbilder verändern werden. «Viele Stimmbürger sagen Nein zu neuen Überbauungen, von denen sie profitieren würden. Hier muss ein Umdenken geschehen.» Bezüglich der Vorkaufsrechtsinitiative sprach sie sich insbesondere für den Gegenvorschlag aus: «Er ist ein taugliches Mittel. Wir finden ihn gut.»
Marcel Suter, Kantonsrat SVP, fasste pointiert zusammen: «Alle die genannten Initiativen bringen keine neuen Wohnungen.» Zentrale Hebel für die Schaffung von mehr Wohnraum sei ein schnellerer Umgang mit Einsprachen und ein entrümpeltes Baugesetz. Zudem gelte es, auf qualitative statt quantitative Einwanderung zu setzen und bei der Wohnungsvergabe einen «Einheimischenbonus» einzuführen, wie ihn die SVP in ihrer kürzlichen lancierten Initiative fordere. Das Vorkaufsrecht nannte er eine «undurchdachte Vorlage, über die eigentlich nur in der Stadt Zürich abgestimmt werden sollte.»
Mario Senn sagte, ihn habe an der Sotomo-Studie überrascht, dass im Raum Zürich Renovationen teurer seien als Neubauten. Dies gelte es im Diskurs zu berücksichtigen – und mehr zu bauen. Als Ökonom stelle er heute einen klaren Nachfrageüberschuss fest. Erschwerend für die Schaffung von neuem Wohnraum sei, dass die Vorschriftendichte stark zugenommen habe: «Energetische Vorschriften, Einsprachen von Nachbarn und die Gerichtspraxis an sich machen Bauen komplizierter und teurer.» Gefragt seien auch eine Flexibilisierung von Um- und Aufzonungen. Der Elefant im Raum sei zudem das eidgenössisches Raumplanungsgesetz, das angepasst werden müsse: Die Einfrierung der Bauzonen sei ein schlechter Entscheid gewesen, der Entwicklungsspielräume insbesondere am Siedlungsrand verunmögliche.
Zum Vorkaufsrecht warnte Mario Senn vor nachlassenden Investitionen wegen fehlender Planungssicherheit; den Gegenvorschlag unterstützt er «mit Überzeugung». Der Gegenvorschlag des Regierungsrats, der die Beiträge an gemeinnützige Wohnbauträger erhöhen will, sei zielgerichtet. «Er hilft denen, die es nötig haben.»
Die Diskussion zeigte deutlich: Bürokratische Zusatzinstrumente schaffen keine neuen Wohnungen. Entscheidend sind schlanke Verfahren, kurze Bewilligungsfristen und kluge Verdichtung – damit Zürich auch künftig ein starker Wirtschafts- und Lebensraum bleibt.