Verbessert werden Missstände an der Grenze nur dann, wenn sich die Schweiz auch aktiv beteiligt

Am Donnerstagmorgen lud die Zürcher Handelskammer (ZHK) zu ihrem Online-Politcafé ein. Thema diesmal war die Frontex-Vorlage, über welche wir am 15. Mai abstimmen werden. FDP-Parteipräsident Thierry Burkart argumentierte für die JA-Seite, während Nationalrätin Marionna Schlatter von den Grünen die Nein-Seite vertrat. Die angeregte Diskussion leitete Roman Obrist, Leiter Wirtschaftspolitik bei der ZHK, welcher nicht davor zurückschreckte, auch mal kritisch nachzuhaken.

Bevor die Diskussion richtig losging, stellte Marionna Schlatter klar, dass weder die Grünen noch die SP das Referendum ergriffen haben gegen die Schweizer Beteiligung am Frontex-Ausbau – dieses kam aus der Zivilgesellschaft. Sie wolle es aber nutzen, um Druck aufzubauen und Frontex zu einer Reform zu zwingen. Eine Position, die Thierry Burkart nicht nachvollziehen kann. Er räumt zwar ein, dass Frontex, wie jede andere Agentur auch, nicht perfekt ist und dass Missstände nicht negiert werden dürfen. Er betont aber, dass gerade ein Mangel an Ressourcen zu den von den Gegnern kritisierten Fehlern führen kann. Um Überforderungen an den Schengen-Aussengrenzen künftig bestmöglich vermeiden zu können, brauchen Frontex-Mitarbeitende Unterstützung. Ein Zurückhalten von Ressourcen oder gar ein Ausstieg der Schweiz aus Frontex würde die heutige Situation nicht im Geringsten verbessern, sondern eher noch verschlechtern. Denn nur wenn die Schweiz auch weiterhin mit am Tisch sitzt, können wir uns einbringen und wir können mitgestalten. Laufen wir einfach davon, passiert gar nichts.

Was oft vergessen geht: Frontex besteht auch ohne die Schweiz weiter

Fakt ist: Am 15. Mai stimmt das Schweizer Stimmvolk darüber ab, ob sich unser Land an der Weiterentwicklung von Frontex beteiligt oder nicht. Ob Frontex abgeschafft wird oder nicht, steht dabei nicht zur Diskussion. Auch wenn die Referendumsführer das fordern. Das heisst also konkret: Sagt die Schweiz Nein, dann ist sie nicht mehr bei Frontex dabei. Die europäische Grenzschutzagentur bleibt trotzdem weiter bestehen.  Thierry Burkart warnt am Online-Politcafé deshalb auch vor den Auswirkungen, die ein Nein am 15. Mai auf die Schweiz hat. Bekannterweise müsste der Bundesrat in diesem Fall eine Nicht-Übernahme der Schweiz kommunizieren. Damit wird automatisch der Prozess eines Schweizer Ausstiegs aus den Abkommen Schengen und Dublin eingeleitet. Denn Frontex ist Teil von Schengen und der Ausbau von Frontex folglich eine Weiterentwicklung der Schengen-Bestimmungen. Burkart betont den Automatismus im Vertrag: «Das entscheidet nicht das Parlament. Niemand muss über den Austritt der Schweiz entscheiden.» Eine Lösung zum Verbleib der Schweiz in Schengen betrachtet er, wie so viele andere, als unrealistisch. Dafür bräuchte es nämlich nicht nur die Einstimmigkeit aller EU-Staaten, diese müsste auch noch innerhalb von 90 Tagen erfolgen. 

Weiterführung einer Parlamentsdebatte

Der Parteipräsident der FDP gewährt schliesslich noch einen Einblick in die Parlamentarische Diskussion in der Schweiz, welche dem Referendum voranging. Vertreterinnen und Vertreter der Grünen und der SP wollten eine Erhöhung des Aufnahme-Kontingents einer bestimmten Gruppe von Flüchtlingen an die Frontex-Vorlage knüpfen. Das Parlament hat diese Verknüpfung abgelehnt, da es keinen Zusammenhang zwischen dieser Forderung und der Vorlage sah. Eine Entscheidung, welche die Grünen und die SP wohl überraschte. Burkart vermutet, dass diese vermutlich überzeugt waren, dass das Parlament nachgeben würde, weil die Europapolitik so wichtig ist. Schlatter entgegnet, dass es bei der Abstimmung gar nicht um Schengen oder Europa gehe und führt aus:  «Ich bin überzeugt, dass wir nicht aus Schengen rausfliegen». Einen konkreten Plan, was man tun würde, sollte ihre Einschätzung falsch sein, blieb sie auch nach mehrfachem Nachgreifen schuldig.

Zum Schluss gab es auch noch versöhnliche Töne zwischen den beiden Parlamentariern. Burkart lobte Schlatter, dass die Grünen ihre Position öffentlich vertreten. Die SP sei auf Tauch-Station gegangen – wohl auch weil sie in den Umfragen gesehen habe, wie ihre Wählerbasis zur Frontex-Vorlage steht. 

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