Gutes Zeugnis für die Schweiz – und Hausaufgaben auch für Zürich

Die Schweizer Volkswirtschaft und der Arbeitsmarkt haben die Corona-Pandemie gut bewältigt. Um die Stärken auch künftig ausspielen zu können, sind aber wichtige Hausaufgaben anzupacken. Das hält die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) in ihrem aktuellen Länderbericht fest. Auch die Zürcher Handelskammer fordert eine mutige Reformstrategie.

Die Schweiz steht gut da, Volkswirtschaft und Arbeitsmarkt sind robust. Diese Stärken und damit auch unser Wohlstand sind aber nicht gottgegeben, sondern müssen weiterentwickelt werden. So lässt sich knapp der wirtschaftspolitische Länderbericht 2022 der OECD zusammenfassen, der am Donnerstag vorgestellt worden ist.

Für die Pandemiebewältigung stellt der Bericht der Schweiz ein gutes Zeugnis aus. Vom Coronaschock im Jahr 2020 habe sich die Schweizer Wirtschaft rascher erholt als manche Industriestaaten. Im Jahr 2020 sei das BIP kalenderbereinigt noch um 2,5 % gesunken, 2021 habe sich die Wirtschaft indes auf Vorkrisenniveau erholt. Profitiert habe die Schweiz von guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, international wettbewerbsfähigen Branchen und Unternehmen sowie einer relativ geringen Abhängigkeit vom Tourismus- und Unterhaltungssektor. Effektiv gewirkt hätten im internationalen Vergleich wenig restriktive gesundheitspolitische Einschränkungen und gezielte staatliche Unterstützung. Vor allem die Kurzarbeitsentschädigungen hätten sich als probates Mittel erwiesen. Stützend gewirkt habe auch, dass das Personal in vielen wichtigen Branchen sehr gut ausgebildet und produktiv sei, etwa in der Finanz- und Pharmabranche. Die Prognose ist laut OECD günstig: Um drei Prozent soll die Schweizer Wirtschaft laut OECD dieses Jahr wachsen.

Fit bleiben – im freien Markt

Die starke Position der Schweizer Volkswirtschaft ist nicht in Stein gemeisselt. So empfiehlt die OECD bezüglich Pandemiemassnahmen, den Einstieg in den Ausstieg anzugehen und sie ortet Reformbedarf. Die staatlichen Unterstützungsmassnahmen sollten spezifisch nur so lange wie nötig zur Verfügung gestellt, grundsätzlich indes wieder zurückgefahren werden. Konkret schlägt die OECD vor, dass sich Unternehmen via Karenzfrist stärker an der Kurzarbeitsentschädigung beteiligen. OECD-Generaldirektor Mathias Cormann meinte anlässlich der Online-Präsentation des Berichts, die Wirtschaft müsse möglichst rasch den Marktkräften ausgesetzt sein, um sie fit zu halten. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) soll laut OECD derweil ihren Kampf gegen die Frankenstärke fortführen und die Zinsen niedrig halten. SNB und Finanzmarktaufsicht müssten im Auge behalten, dass der Immobilienmarkt nicht überhitze.

Grundsätzlichen Reformbedarf sieht die OECD in mehreren Bereichen – notabene unabhängig von der Pandemie. Sie empfiehlt Rentenalter 65 für Männer und Frauen sowie mittelfristig eine Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung – also just dies, was die Jungfreisinnigen in ihrer Renteninitiative fordern. Zudem sei der Arbeitsmarkt integrativer zu gestalten, insbesondere Frauen und ältere Arbeitnehmende sollten besser eingebunden werden. Konkret seien im Steuersystem die Erwerbsanreize gerade auch für Zweitverdiener zu erhöhen und der Zugang zu familienexterner Kinderbetreuung zu verbessern.

Digitalisierungsschub nötig – zugunsten des Unternehmertums

Aus Sicht der Zürcher Handelskammer ist erfreulich, dass etliche der Empfehlungen der OECD in die richtige Richtung zielen. Zwar ist tatsächlich positiv zu vermerken, dass der Wirtschaftsstandort Schweiz und insbesondere auch der Wirtschaftsstandort Zürich gut positioniert sind. Im Jubel über diese Feststellung darf aber nicht untergehen, dass wir an Wettbewerbsfähigkeit einzubüssen drohen. So ist evident, dass Zürich etwa weniger Firmengründungen verzeichnet als andere Kantone. Zunehmend belastend wirkt die überdurchschnittlich hohe Steuerlast für juristische und natürliche Personen, die ungenügende Digitalisierung der Verwaltung und die Monopole sowie Beteiligungen des Kantons, die den Wettbewerb verzerren.

Auf einige dieser wunden Punkte weist auch die OECD hin – und wie die Zürcher Handelskammer sieht sie Reformbedarf. Konkret empfiehlt sie, den Aufwand für Neugründungen zu verringern – Unternehmensgründungen müssen digital und ohne hohe bürokratische Hürden erfolgen können. Allgemein müsse die Digitalisierung der Verwaltung mit hoher Priorität vorangetrieben werden, einen Schub brauche es namentlich bezüglich der Integration der verschiedenen Online-Schalter – Stichwort One-Stop-Shop-Verwaltung. Aus Zürcher Sicht ist zu ergänzen, dass so die im kantonalen Vergleich überlangen Bewilligungsverfahren verkürzt werden könnten.

Insgesamt bestätigt der Bericht, was für die Zürcher Handelskammer zentral ist und den Anlass gab, eine Reformstrategie zu entwickeln und zu verlangen: Ein starker Wirtschaftsstandort kann nur wachsen, wenn in Innovation, Forschung und Fachkräfte investiert wird. asü

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