Zwei gegensätzliche Konzepte in der Familienpolitik auf dem Prüfstand

Am 27. September 2020 entscheidet das Schweizer Stimmvolk über zwei familienpolitische Vorlagen mit wirtschaftspolitischen Auswirkungen. Während die Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundesssteuer durch die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten Arbeiten attraktiver macht und die Vereinbarkeit von Familien und Beruf vereinfacht, stellt die Einführung eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs einen ungerechtfertigten Ausbau des Sozialstaats dar.

Die Gesetzesrevision bezüglich der steuerlichen Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten basiert auf der im Jahr 2011 lancierten Fachkräfteinitiative. Neu sollen bei der direkten Bundessteuer die effektiven Kosten für die Kinderdrittbetreuung bis zu 25 000 Franken pro Kind (heute: 10 100 Franken) in Abzug gebracht werden können. Zusätzlich soll auch der allgemeine Kinderabzug auf 10 000 Franken (heute: 6 500 Franken) angehoben werden.

Die Einführung eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs ist auf den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative für einen Vaterschaftsurlaub zurückzuführen. Letztere forderte einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub, wurde aber vorbehältlich der Annahme des indirekten Gegenvorschlages zurückgezogen. Finanziert werden soll der Vaterschaftsurlaub über die Erwerbsersatzordnung (EO).

Höherer Abzug für Kinderdrittbetreuungskosten setzt richtige Anreize

Einige Wirtschaftszweige kämpfen in der Schweiz mit einem Fachkräftemangel. Mit der Pensionierung der Babyboomer-Generation dürfte sich dieser in den kommenden Jahren noch stärker akzentuieren. Mit Massnahmen, welche die Erhöhung des Erwerbspensums von gut ausgebildeten Zweitverdienern fördern, könnte dem Fachkräftemangel jedoch entgegengewirkt werden. Heute lohnt es sich für gut ausgebildete Zweitverdiener, meistens die Frau, finanziell häufig nicht, ihr Erwerbspensum zu erhöhen, weil aufgrund der Steuerprogression sowie der häufig progressiv ausgestalteten Kinderbetreuungstarife nur noch wenig oder gar nichts vom zusätzlichen Einkommen übrigbleibt. Diese «Teilzeitfalle» ist gerade für gut ausgebildete Mütter fatal. Ein höherer Steuerabzug für Kinderdrittbetreuungskosten sowie ein höherer allgemeiner Kinderabzug mindern diese falschen Anreize und tragen dazu bei, dass höhere Erwerbspensen attraktiver werden.

Vaterschaftsurlaub: Unangebrachter Ausbau des Sozialstaats

Zweifelsohne kann ein zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub auf die Beziehung Vater-Kind positive Auswirkungen haben. Unbestritten ist auch, dass viele junge Arbeitnehmer einen solchen wünschen. Die Frage ist jedoch, ob ein Vaterschaftsurlaub gesetzlich vorgeschrieben und über einen Ausbau des Sozialstaats umgesetzt werden soll. Wollen Väter nach der Geburt des Kindes präsent sein, ist es ihnen durchaus zuzumuten, Ferien oder unbezahlten Urlaub zu beziehen.

Viele Unternehmen, darunter auch ZHK-Mitglieder, kennen bereits heute eine grosszügige Vaterschaftsurlaubsregelung, die über das gesetzliche Minimum hinausgeht. Insbesondere für KMU stellt die Umsetzung eines zusätzlichen Vaterschaftsurlaubs jedoch finanziell und organisatorisch eine grosse Zusatzbelastung dar. Darüber hinaus ist ordnungspolitisch von Bedeutung, dass es den Unternehmen überlassen sein sollte, wie sie sich im Wettbewerb um Fachkräfte positionieren möchten: Vaterschaftsurlaub, höhere Löhne, mehr Ferien, grosszügigere Pensionsregelung usw. Individuelle Lösungen zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden sind denn auch der richtige Weg, um das Anliegen in einem liberalen Arbeitsmarkt zu regeln. Auf diese Weise können mit Berücksichtigung der jeweiligen Umstände im Unternehmen passgerechte Lösungen gefunden werden.

Die ZHK steht einem Ausbau des Sozialstaates per se skeptisch gegenüber. In Zeiten der jetzigen wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Corona-Krise und der grössten weltweiten Rezession seit über 80 Jahren ist diese Zurückhaltung umso mehr gerechtfertigt. Es gilt auch festzuhalten, dass der Sozialstaat – bis jetzt – stets Risiken und soziale Notlagen, wie Unfall, Armut im Alter oder Arbeitslosigkeit, versichert hat. Eine Vaterschaft gehört nicht dazu. Im Gegen-satz zur Mutterschaftsversicherung, bei der das Gesetz eine Erwerbstätigkeit der Mutter nach der Geburt verbietet und es deshalb richtig ist, dass in dieser Zeit eine Erwerbsausfallsentschädigung erfolgt, verfängt diese Argumentation bei den Vätern nicht.

Auch ist unklar, inwiefern ein Vaterschaftsurlaub eine höhere Erwerbsbeteiligung von Müttern bewirken sollte. Zentral ist, dass Unternehmen und der Staat gemeinsam Rahmenbedingungen schaffen, damit sich Familie und Beruf – andauernd und nicht nur nach der Geburt – vereinbaren lassen.

Ein höherer Abzug für Kinderdrittbetreuungskosten kann den negativen Anreizen, welchen gut ausgebildete Zweitverdiener in Bezug auf eine Er-höhung des Pensums ausgesetzt sind, Gegensteuer geben. Gerade in Anbe-tracht des Fachkräftemangels ist dies äusserst sinnvoll. Wenig sinnvoll ist hingegen ein gesetzlich verankerter zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub. Individuelle Lösungen zwischen den Arbeitgebenden und Arbeitnehmen-den sind vorzuziehen. Die ZHK empfiehlt den zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub abzulehnen und der Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer zuzustimmen.

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