Verlässlicher Partner bleiben

Die Selbstbestimmungsinitiative gefährdet das gut geregelte Verhältnis zwischen unserem Landesrecht und dem Völkerrecht und schafft Unsicherheit. Sie muss klar abgelehnt werden.

Im Herbst werden wir über die Selbstbestimmungsinitiative abstimmen. Sie verlangt den Vorrang des Verfassungsrechts gegenüber dem Völkerrecht. Völkerrechtliche Verträge, die der Bundesverfassung widersprechen, sind anzupassen oder zu kündigen.  

„Völkerrecht“ tönt abstrakt, wird aber greifbar, wenn man sich vor Augen führt, was damit umfasst wird: Als Völkerrecht bezeichnet man grundsätzlich die für die Schweiz verbindlichen zwei- oder mehrseitigen Verträge, die sie mit einem oder mehreren anderen Ländern abgeschlossen hat. Also z.B. die bilateralen Verträge mit der EU, welche Fragen der Wirtschaftsbeziehungen betreffen, oder das grosse Vertragswerk der WTO, das die weltweiten Handelsbeziehungen regelt, und wo die Schweiz eine von 164 Vertragsparteien ist. Aber auch die Europäische Menschenrechtskonvention gehört dazu, welche von 47 Staaten in Europa unterzeichnet wurde.  

Zur Frage des Verhältnisses zwischen dem schweizerischen Recht und dem für die Schweiz verbindlichen Völkerrecht besteht eine langjährige Praxis und Bundesrat und Parlament pflegen einen sorgfältigen Umgang damit. Anpassungen im inländischen Recht unterstehen dem fakultativen Referendum, gewisse Völkerrechtliche Verträge verlangen sogar eine obligatorische Zustimmung von Volk und Ständen. Wo ist also das Problem? Begegnen wir praktisch täglich der Situation, dass unser Recht durch eine völkerrechtliche Bestimmung „übersteuert“ wird? Dies ist nicht der Fall.  

Verträge sind einzuhalten

Das Ansinnen der Initiative ist klar abzulehnen. Es würde die Praxis, wonach Verträge zwischen Staaten – wie im Übrigen zwischen Privaten auch - einzuhalten sind, in ihr Gegenteil verkehren. Die Schweiz würde ihren Ruf als verlässlicher Partner gefährden, wenn die anderen Vertragsparteien davon ausgehen müssten, dass sie jederzeit ein Begehren auf Änderung oder allenfalls Kündigung stellt, wenn sich innerschweizerisch die Ausgangslage verändert. Viele völkerrechtliche Verträge betreffen Fragen der Wirtschaftsbeziehungen. Wir schaden unserem Wirtschaftsstandort, wenn wir solche Verträge als immer nur gerade momentan gültig qualifizieren würden. 

Die Initiative verspricht zudem etwas, das sie nicht halten kann. Oder wie genau sollen Neuverhandlungen des WTO-Regelwerks auf Anstoss der Schweiz funktionieren? Notabene eines Regelwerks, wo schon eine Übereinstimmung aller Staaten zu dessen Weiterentwicklung ein grosser Erfolg wäre?

Die kleine Schweiz kann mithilfe solcher Verträge international als gleichberechtigter Partner auftreten. Unsere Unternehmen profitieren dadurch von weltweiten Handelsbeziehungen. Die Initiative würde dies gefährden. Sie ist deshalb klar abzulehnen. 

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