Der Kanton Zürich braucht eine wirtschaftliche Reformstrategie

Der Ende 2021 publizierte Freiheitsindex von Avenir Suisse bescheinigt dem Kanton Zürich im interkantonalen Vergleich eine abnehmende Standortattraktivität. Dieser gefährliche Trend zeigt sich u. a. in einer zu geringen Anzahl von Firmengründungen, einer zu hohen Steuerbelastung sowie einer ausgeprägten Regulierungs- bzw. Verbotskultur. Die Zürcher Handelskammer (ZHK) fordert deswegen eine Reformstrategie, welche sich an liberalen Werten orientiert und die Standortattraktivität des Kantons langfristig steigert.

Der im Dezember 2021 publizierte Freiheitsindex von Avenir Suisse misst und vergleicht die freiheitliche Prägung der kantonalen Gesetze und Institutionen. Dabei werden nur Freiheiten berücksichtigt, deren Gestaltung in der Kompetenz der Kantone liegt und für welche gesamtschweizerisch vergleichbare Daten vorliegen. Für den Kanton Zürich zieht der Index eine durchzogene Bilanz. Gelang es dem Kanton, sich in den Vorjahren noch unter den Top 10 zu etablieren, verliert er nun an Boden und landet auf Platz 16.

Zweitletzter Platz bei den zivilen Freiheiten

Bei den zivilen Freiheiten war der Kanton noch nie ein Spitzenreiter, nun befindet er sich aufgrund von Überregulierungen in diesem Bereich auf dem zweitletzten Platz. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb Zürich bei einer Vielzahl ziviler Indikatoren eine höhere Regulationsdichte als andere Kantone aufweist. So gelten vergleichsweise starke Einschränkungen bei Veranstaltungen, dem Verhalten an hohen Feiertagen oder Verbote von Raucherlokalen, welche über die Vorschriften des Bundes hinaus gehen. Im Bauwesen führen zu viele Bauauflagen zu einer überdurchschnittlichen Dauer bis zur Baubewilligung.

Ökonomische Freiheiten: Hohes Niveau bröckelt

Klar besser präsentiert sich das Bild im ökonomischen Teil des Indexes. Bei den ökonomischen Indikatoren wie z.B. der Bonität, Subsidiarität, Dezentralisierung oder der Gestaltung der Ladenöffnungszeiten schneidet der Kanton Zürich gut bis sehr gut ab, aber andere Kantone holen stetig auf oder sind schon auf der Überholspur. Insgesamt gibt es viele Anzeichen, die in die falsche Richtung weisen. So ist während der letzten Jahre die Zürcher Staatsquote überdurchschnittlich gewachsen: Das Ausgabenwachstum des Kantons und seiner Gemeinden hat das kantonale Wirtschaftswachstum deutlich überholt. Ferner existieren im Kanton Zürich noch immer zu viele staatliche Monopole (z.B. Amtsnotariat) oder staatliche Beteiligungen, die den freien Wettbewerb verzerren.

Standortattraktivität wird geschwächt

Der Freiheitsindex verdeutlicht insgesamt, dass die Standortattraktivität Zürichs unter Druck gerät. Geschwächt wird sie insbesondere auch durch eine überdurchschnittlich hohe Steuerlast sowohl für natürliche als auch juristische Personen. Der Wegzug von wohlhabenderen Bevölkerungsschichten ist im Kanton Zürich besonders ausgeprägt. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den juristischen Personen: In der interkantonalen Verschiebung von Unternehmenssitzen verzeichnet der Kanton Zürich die grösste Netto-Abwanderung. In diesem Zusammenhang zeigt sich auch, dass hier weniger Unternehmen gegründet werden als dies beim Durchschnitt der Schweizer Kantone der Fall ist.

Die unzureichende Digitalisierung der Verwaltung erschwert und verlangsamt den Behördenverkehr. Gerade im Bereich der Digitalisierung besteht hoher Aufholbedarf. Nach wie vor können Firmengründungen nicht rein elektronisch abgewickelt werden. Langwierige Baubewilligungsverfahren belasten die Wirtschaft oder schrecken vor Investitionen ab. Auch die Dauer der Prozesse bei der Steuerverwaltung sind im interkantonalen Vergleich zu langsam und zu wenig wirtschaftsfreundlich ausgestaltet.

Notwendige Reformen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts

Damit die interkantonale und internationale Attraktivität Zürichs als prosperierender Wirtschafts-, Forschungs- und Innovationsstandort erhalten und langfristig gesteigert werden kann, fordert die ZHK konkret folgende Reformen und Liberalisierungen:

  • Anpassungen im Steuersystem, d.h. eine Senkung der Unternehmenssteuern, die überfällige Umsetzung des zweiten Schritts der Steuervorlage 17 sowie eine Anpassung der kantonalen Steuerprogression, insbesondere bei hohen Einkommen und Vermögen.
  • Beschleunigung und Harmonisierung der Digitalisierung der Verwaltung: Unternehmensgründungen sollen beispielsweise rein digital erfolgen können. Die Wirtschaft ist insgesamt auf schnelle und effiziente Behördenverfahren angewiesen; dies erfordert nebst einem Digitalisierungsschub die Integration der verschiedenen Online-Schalter ("One-Stop-Shop"). Dadurch können die im kantonalen Vergleich überlangen Bewilligungsverfahren (z.B. Baubewilligungen) verkürzt werden.
  • Beschleunigung und Vereinfachung der Prozesse in der kantonalen Steuerverwaltung: So dauern beispielsweise Rulinganfragen deutlich länger als in anderen Kantonen. Steuergesetzliche Handlungsspielräume werden oft nicht zugunsten der Wirtschaft genutzt.
  • Abschaffung wettbewerbsverzerrender Monopole: Entsprechend ist beispielsweise das staatlich organisierte Amtsnotariat zu liberalisieren und entbürokratisieren. Dies führt zu mehr Wettbewerb und kürzeren Fristen.
  • Liberalisierung des Arbeitsmarktes: Das geltende Arbeitsgesetz bedarf einer Reform, denn zahlreiche, veraltete Vorschriften und Verbote entsprechen nicht mehr den Bedürfnissen einer modernen, digitalen Dienstleistungsgesellschaft. Auf weitere Vorschriften (z.B. Mindestlöhne, Einschränkung von Öffnungszeiten) ist zu verzichten.
  • Aufrechterhaltung und Stärkung der internationalen Beziehungen: Ein starker Wirtschaftsstandort kann nur wachsen, sofern in Innovation, Forschung und Fachkräfte investiert wird. Dies setzt stabile Beziehungen zur EU als wichtigsten Handelspartner und den Ausbau internationaler Handelsverträge voraus.

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