Corona-Krise: Wirtschaftspolitische Lehren und Forderungen der ZHK

Zur Bekämpfung des Corona-Virus hat der Bundesrat einschneidende Massnahmen getroffen. Diese hatten und haben starke Auswirkungen sowohl auf die Gesellschaft als auch auf die Wirtschaft. Mit der schrittweise Lockerung gilt es, erste Lehren zu ziehen und in die Zukunft zu schauen: Welche Massnahmen braucht es nun, um eine langanhaltende Rezession zu vermindern, und was sollte unbedingt vermieden werden?

Am 16. März 2020 erklärte der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» gemäss Epidemiengesetz und verfügte erhebliche Einschränkungen und weitgehende Verhaltensvorschriften. Dies hatte beträchtliche Folgen für das öffentliche und private Leben und auch die Wirtschaft hatte weitgehende Einschränkungen zu verkraften. Viele Betriebe mussten zwangsschliessen, was zu grossen Ertragsausfällen führte. Darüber hinaus sorgten geschlossene Grenzen teilweise für Lieferengpässe und gefährdete Lieferketten sowie für Schwierigkeiten für Unternehmen, die Spezialisten aus dem Ausland beschäftigen wollten. Unzählige Betriebe berichten auch von einem Einbruch der Nachfrage aus dem Ausland. Nun beginnt die Schweiz langsam zur Normalität zurückzukehren und die getroffenen Massnahmen zu lockern. Die Regierung musste zu Beginn der Corona-Krise schnell und entschieden handeln, ohne Erfahrungswerte einer solch aussergewöhnlichen Situation. Diese Entscheide nachträglich zu kritisieren ist deswegen nicht zielführend. Es sollte jedoch daraus gelernt werden, um in Zukunft besser vorbereitet zu sein und angemessene Massnahmen tätigen zu können. Pandemien und ähnliche Situationen können sich wiederholen – es muss dann gelingen, mit möglichst geringen Verlusten für die Wirtschaft und damit für unseren Wohlstand darauf zu reagieren.

Unternehmerische Selbstverantwortung zutrauen – und einfordern

Am 7. April 2020 publizierte die Zürcher Handelskammer (ZHK) ihr Positionspapier «Wege aus der Corona-Krise: Wirtschaftspolitische Forderungen der Zürcher Handelskammer». Die ZHK stellte darin kurz- und langfristige Forderungen auf, welche einerseits die durch die Einschränkungen verursachten wirtschaftlichen Schäden minimieren und andererseits ein nachhaltiges Gesunden der Zürcher Wirtschaft ermöglichen sollen. Erfreulicherweise wurden verschiedene Forderungen bereits heute ganz oder zumindest teilweise umgesetzt. Andere Entscheide hingegen waren unverständlich: So verfolgte der Bundesrat insbesondere zu Beginn einen planwirtschaftlichen Ansatz, indem er Betriebsschliessungen und -öffnungen aufgrund ihrer Branchenzugehörigkeit anordnete – und nicht aufgrund der (Un-)Möglichkeit zur Umsetzung der Abstands- und Sicherheitsvorschriften. Dies verunmöglichte es vielen Unternehmen, bereits frühzeitig ihre Türen wieder zu öffnen, während andere Firmen ihre Waren oder Dienstleistungen ohne Unterbruch anbieten durften. Die ZHK plädiert dafür, mehr Vertrauen in die unternehmerische Selbstverantwortung zu legen. Der Schutz von Mitarbeitern und Kunden liegt im ureigenen Interesse sämtlicher Unternehmen.

Die ZHK lobte in ihrem Positionspapier zudem den Bundesrat dafür, dass er auf Darlehen anstatt auf À-Fonds-Perdu-Beiträge zur Unterstützung der Wirtschaft setzt. Dieses Vorgehen gilt es auch in Zukunft beizubehalten. Für die ZHK ist klar, dass zur unternehmerischen Selbstverantwortung auch gehört, im Krisenfall Verluste mitzutragen. Aus diesem Grund werden Kapitalgeber mit einer Risikoprämie entschädigt. À-Fonds-Perdu-Beiträge wären auch ungerecht gegenüber denjenigen Unternehmen, welche über ausreichende Reserven für Krisenlagen verfügen. Sie würden zudem falsche Anreize für die Zukunft setzen: Unternehmen sollten sich nicht darauf verlassen, dass sie in Krisen vollständig vom Staat unterstützt werden.

Wirtschaftspolitische Forderungen für die Zukunft

Wie hoch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise ausfallen werden, ist noch nicht bekannt. Die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich rechnet mit einem Einbruch des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im laufenden Jahr um 5,5 Prozent. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) geht sogar von einem Absturz um 6,7 Prozent aus. Diese Lücke muss zuerst wieder geschlossen werden. Gefordert sind deshalb Massnahmen, welche die Gesundung der Schweizer Wirtschaft begünstigen. Dazu braucht es nun insbesondere keine wirtschafts- und sozialpolitischen Schnellschüsse.

Seit Ausbruch der Pandemie werden vermehrt Forderungen zu einer Rückverlagerung von Produktionsstätten in die Schweiz gestellt. Dies soll die Versorgungssicherheit des Landes sichern. Eine ReNationalisierung von Wertschöpfungsketten ist jedoch keine geeignete Strategie zur erfolg-reichen Bewältigung der aktuellen und keine nachhaltige Vorsorge für künftige Pandemien – Versorgungssicherheit darf nicht mit Selbstversorgung verwechselt werden. Die Produktion der meisten in einer Pandemie relevanten Güter (auch aus dem Gesundheitsbereich) in der Schweiz dürfte teuer und ineffizient sein. Es ist deshalb vor allem sicherzustellen, dass ausreichende Lagerbestände vorhanden sind. Offensichtlich war dies nur bedingt der Fall: Trotz bestehender Vorschriften wurde die Vorbereitung auf pandemische Lageentwicklungen vor der Corona-Krise vernachlässigt.

Zudem ist gerade die Diversifikation der Schweizer Wirtschaft und die internationale Vernetzung deren Stärke. Würde die Produktion ins Inland verlagert, wäre diese umso anfälliger auf einen teilweisen oder kompletten Lock-Down der Wirtschaft. Nimmt man den Verlauf der aktuellen Pandemie als Beispiel, so hat sich gezeigt, dass Waren aus China zu Beginn schwierig zu beschaffen waren, da die Produktion vor Ort stockte. In einer späteren Phase funktionierte der Import wieder – zu einem Zeitpunkt, an dem die inländische Produktion durch die verhängten Massnahmen des Bundesrates teilweise stark zurückgefahren werden musste. In diesem Zusammenhang wäre es falsch, die Anbindung der Schweiz an Europa und die Welt aufs Spiel zu setzen. Deshalb darf auch die Teilnahme am europäischen Binnenmarkt – welche mit Blick auf den Wirtschaftseinbruch noch wichtiger ist als jemals zuvor – nicht aufgegeben werden. Eine Annahme der Kündigungsinitiative, über die im September abgestimmt wird, würde diese Anbindung gefährden und wäre für die Schweizer Wirtschaft fatal.

Attraktives Steuerumfeld statt Ausbau des Sozialstaats

Die derzeitige Krise zeigt, wie dünn die Liquiditäts- und Kapitalpolster bei vielen Unternehmen sind. Deshalb sind weitere Belastungen der Wirtschaft nicht angebracht. Gleichzeitig müssen Fehlanreize im Steuersystem beseitigt werden. Für Unternehmen muss sich der Eigenkapitalaufbau lohnen, um für zukünftige wirtschaftliche Krisen gerüstet zu sein. Das derzeitige Steuerrecht steht dem diametral entgegen: Da lediglich bei Fremdkapital ein Zinsabzug möglich ist, wird Fremdkapital gegenüber Eigenkapital privilegiert. Die ZHK fordert deswegen die Einführung des Abzugs für Eigenfinanzierung auf Bundesebene, damit es sich für Unternehmen lohnt, Sicherheitseigenkapital aufzubauen. Die Zürcher Regierung wird zudem aufgefordert, die zweite Etappe der Steuervorlage 17 auf den Weg zu bringen, um damit den zu erwartenden Aufschwung zu erleichtern.

Zudem sind gerade jetzt neue Staatsaufgaben bzw. zusätzliche Steuern und Abgaben völlig fehl am Platz. Sie würden die Unternehmen und Privatpersonen zusätzlich belasten und den Aufschwung hindern. Dazu gehören Ausbauten des Sozialstaats mit Vaterschaftsurlaub, Elternurlaub, einer 13. AHV-Rente oder der Erhöhung von Familienzulagen.

Darüber hinaus muss die Schweiz bei den regulatorischen Vorschriften vorwärts machen und diese anpassen: So verunmöglicht das Arbeitsrecht faktisch ein flexibles Arbeiten im Home-Office. Aber auch die starren Öffnungszeitenregelungen (insb. an Sonn- und Feiertagen) sollten in Zukunft gelockert werden, um den veränderten gesellschaftlichen und gesundheitspolizeilichen Ansprüchen gerecht zu werden.

Um die negativen Folgen der Corona-Krise möglichst gering zu halten, gilt es, die richtigen Schlüsse aus den getroffenen Entscheidungen zu ziehen. Zudem ist es nun an der Zeit, die Weichen so zu stellen, dass die Wirtschaft möglichst schnell wieder in Gang kommt und schädliche Regulierungen abgebaut und keine neuen Hindernisse beschlossen werden.

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