Standort Schweiz muss sich auf Stärken zurückbesinnen

Die Schweiz ist bisher besser als andere Länder durch die Corona-Krise gekommen. Die abnehmende Fähigkeit, für übergeordnete Probleme gemeinsame Lösungen zu finden, belastet aber den Standort. Das wurde an der 148. Generalversammlung der Zürcher Handelskammer deutlich.

Die Schweizer Volkswirtschaft hat auch in der Corona-Krise eine hohe Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft bewiesen. „Die Schweiz hat sich im internationalen Vergleich gut geschlagen“, sagte Karin Lenzlinger, Präsidentin der Zürcher Handelskammer (ZHK), an der ZHK-Generalversammlung. Diese fand am 1. Juli in hybrider Form im Lake Side Zürich statt.

Die Unternehmerin führte dieses gute Abschneiden auf drei Erfolgsfaktoren zurück: Der Staat habe weniger drastisch als anderswo in die Wirtschaft und das gesellschaftliche Leben eingegriffen; seine Unterstützung für die Wirtschaft sei zwar „präzedenzlos“ gross gewesen, aber zugleich auch gezielt. Schliesslich hätten auch der gute Branchenmix und die liberale Wirtschaftspolitik der Vergangenheit geholfen.

Die ZHK-Präsidentin macht sich aber auch Sorgen um den Standort Schweiz. Die internationale Verflechtung habe sich als fragil erwiesen. In diesem Zusammenhang bedaure die ZHK auch den Abbruch der Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU. Die Beziehungen zum grössten Handelspartner müssten geklärt und stabilisiert werden. Zudem macht sie auch aufmerksam auf „die nun leider auch in der Schweiz sinkende Fähigkeit, für übergeordnete Probleme Lösungen zu finden“. Das betreffe etwa die Altersvorsorge und die Nachhaltigkeit. „Wir brauchen eine Rückbesinnung auf die Fähigkeit, Kompromisse machen zu können“, so Lenzlinger.

Auch Gastrednerin Katharina Gasser zeichnete ein gemischtes Bild der Schweiz. Zum einen habe sich das Land zu einem der Pharmahubs der Welt entwickelt, sagte die Chefin von Biogen Switzerland. Viele international tätige Pharmaunternehmen hätten hier ihre Forschung und Entwicklung, Produktionsstätten, den Vertrieb und oft auch ihre Hauptsitze angesiedelt. Die 22 Mitgliedsfirmen von Interpharma investierten hier 7 Milliarden Franken pro Jahr, obwohl sie im Schweizer Markt nur einen Umsatz von insgesamt 3,2 Milliarden Franken erzielten.

Katharina Gasser windet auch der Zulassungsbehörde ein Kränzchen. „Swissmedic hat sich zu einer der Zulassungsbehörden gemausert, die sehr schnell arbeiten, auch dank einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit.“ Dagegen daure es oft länger als die erwünschten 60 Tage, bis ein zugelassenes Medikament auf die Spezialitätenliste komme und damit die Patientinnen und Patienten erreiche. 

Die Biogen-Managerin macht sich auch Sorgen um den unsicheren Anschluss an das EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe und um die Personenfreizügigkeit. „Wir können nicht alle Stellen mit Schweizerinnen und Schweizern besetzen.“

Die ZHK hat an ihrer Generalversammlung auch drei neue Mitglieder in ihren Vorstand gewählt. Neu gehören ihm Beatrix Frey-Eigenmann, Partnerin der Federas Beratung AG und FDP-Fraktionschefin im Zürcher Kantonsrat, UBS Switzerland-Präsidentin Sabine Keller-Busse und Stephan Widrig, CEO der Flughafen Zürich AG, an. Sie ersetzen den zurückgetretenen UBS-Vertreter Axel Lehmann und Andreas G. Schmid, der sich nach 18 Jahren aus dem Vorstand zurückzieht. stk

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