Unternehmensverantwortungsinitiative: Wichtiges Anliegen, kontraproduktive Lösung

 

Die eidgenössische Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» wird von ihren Urhebern als «Konzernverantwortungsinitiative» bezeichnet. Da sie sich aber an alle Unternehmen, auch an KMU, richtet, ist der Ausdruck «Unternehmensverantwortungsinitiative» (UVI) viel treffender.

Die UVI verlangt von Unternehmen mit Sitz in der Schweiz und durch diese kontrollierten Unternehmen die Respektierung von international anerkannten Menschenrechten sowie internationalen Umweltstandards. «Kontrolliert» kann dabei auch bedeuten, dass ein Schweizer Unternehmen Hauptkunde eines rechtlich unabhängigen ausländischen Unternehmens ist.

Weiter verpflichtet die Initiative Unternehmen zu einer Sorgfaltsprüfung. Sie haben Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt zu ermitteln, Massnahmen zur Verhütung und Beendigung von Verstössen gegen Menschenrechte und Umweltstandards zu ergreifen und darüber Rechenschaft abzulegen. Diese Pflichten gelten nicht nur für das Unternehmen und davon abhängige Geschäftseinheiten, sondern für sämtliche Geschäftsbeziehungen.

Die Initiative sieht schliesslich vor, dass Unternehmen vor einem Schweizer Gericht für Schäden eingeklagt werden können, die sie oder von ihnen kontrollierte Unternehmen in Ausübung ihrer geschäftlichen Tätigkeit im Ausland durch die Verletzung von Menschenrechten oder Umweltstandards verursacht haben. Es sei denn, sie können beweisen, dass sie alle gebotene Sorgfalt angewendet haben (Beweislastumkehr).

Gut gemeint, aber…

Die UVI nimmt unbestrittenermassen ein wichtiges Anliegen auf, schiesst aber weit über das Ziel hinaus und setzt auf die falschen Instrumente. Besonders störend sind folgende Punkte:

  • Die UVI verkennt die Komplexität des heutigen Wirtschaftssystems und von internationalen Wertschöpfungsketten: Schweizer Unternehmen werden mit der UVI für Verfehlungen im Ausland einklagbar, auch wenn diese durch unabhängige Lieferanten in der globalen Lieferkette verursacht wurden. Die Einflusssphäre der Unternehmen auf globale Lieferketten ist jedoch begrenzt.
  • Die Initiative sieht eine Beweislastumkehr vor und führt zu einer automatischen Haftung ohne Verschulden. Aufgrund dieser internationalen Haftung würden Unternehmen erpressbar. Die UVI reduziert die unternehmerische Verantwortung auf juristische Fragen und könnte eine Klageflut zur Folge haben. Die weitere Verrechtlichung zwingt Unternehmen, den unternehmerischen Fokus von "Chancen schaffen" auf "Risikovermeidung" umzustellen und ihr Engagement gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern zu überprüfen. Letztlich schadet die Initiative so Mensch und Umwelt weit mehr als sie nützt, denn die zusätzlichen Haftungsbestimmungen beeinträchtigen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen vor Ort.
  • Die Initiative führt zu einem regulatorischen Alleingang der Schweiz und steht quer zu internationalen Entwick-lungen. Eine Schweizer Insellösung schadet der Wettbewerbsfähigkeit und steht einem international abgestimmten Vorgehen im Weg.
  • Unternehmen agieren nicht in einem rechtsfreien Raum: Bereits heute bestehen Haftungsregeln für Tochter-unternehmen (Doppelorganschaft, 
  • Durchgriff, Konzernvertrauen). Zudem sind Unternehmen an nationale Gesetze wie internationale Standards gebunden. Gerade international tätige Unternehmen mit Sitz in der Schweiz nehmen ihre Verantwortung aus Eigeninitiative auf hohem Niveau wahr.
  • Irreführend ist ein Passus in der UVI bezüglich der KMU (der Gesetzgeber muss auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nehmen): Schweizer KMU wären ebenso von der Haftungsregelung betroffen wie grosse Unternehmen, da gilt es nichts zu beschönigen. Dies wird für sie einerseits zu einem Hindernis für ein potentielles Auslandengagement werden, andererseits müssten sie umfangreiche Rechtsabteilungen aufbauen.
  • Die Initiative vernachlässigt, dass der Schutz von Menschenrechten grundsätzlich Aufgabe der jeweiligen Staaten ist. Mittels Schadensklagen in der Schweiz können keine strukturellen Probleme in Schwellenländern gelöst werden.
  • Schliesslich basiert die Initiative auf illusorischen Vorstellungen und weckt falsche Erwartungen an das Schweizer Justizsystem: Schweizer Gerichte müssten Vorgänge im Ausland beurteilen, obschon sie weder über die nötigen Ressourcen noch das Fachwissen verfügen. Zudem würde sich die Beweissicherung im Ausland als schwierig herausstellen, da man auf die Kooperation des Drittstaates angewiesen wäre – dem man gleichzeitig unterstellt, zur Verfolgung von Menschenrechts- und Umweltschutzverletzungen nicht fähig zu sein. Bedenkenswert scheint die überhebliche Haltung der Schweiz, zu wissen, wie Menschenrechte auch im Ausland durchzusetzen sind.

Die UVI ist abzulehnen

Die UVI erscheint aufs erste harmlos, jedoch hätte eine Annahme der Initiative weitreichende rechtliche, politische und wirtschaftliche Folgen. Sie verkennt die Komplexität des heutigen, globalisierten Wirtschaftssystems und schlägt ungeeignete, gar schädliche, Instrumente zur Erreichung der vorgeschlagenen Ziele vor. Die Zürcher Handelskammer empfiehlt sie zur Ablehnung.

Richtig ist der Weg, wie ihn Bundesrat mit seinen soeben verabschiedeten revidierten Aktionsplänen 2020-2023 zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen und zu Wirtschaft und Menschenrechten aufzeigt. Mit den beiden Aktionsplänen unterstützt der Bundesrat Unternehmen, international abgestimmte Normen und Standards der verantwortungsvollen Unternehmensführung zu wahren. Dazu gehören die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.

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