«Neue Familienpolitik» von Mitte-Links aus Wirtschaftssicht

Eine Allianz aus SP, GLP, Grünen, EVP und Alternativer Liste hat Anfang Oktober ein Massnahmenpaket zur Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung präsentiert. Sie will damit unter anderem dem Fachkräftemangel entgegenwirken, was den Wirtschaftsstandort stärke. Was ist davon zu halten?

Tatsächlich besteht in einigen Wirtschaftszweigen ein Fachkräftemangel, der sich in den kommenden Jahren mit der Pensionierung der Babyboomer verschärfen dürfte. Die stärkere Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt, die häufig, aber nicht nur, an einer erschwerten Vereinbarkeit von Familie und Beruf leidet, könnte hier Abhilfe schaffen.

Dabei ist zu beachten, dass die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen und Männern in der Schweiz im internationalen Vergleich bereits rekordverdächtig hoch ist. Auffällig ist indessen, dass sechs von zehn erwerbstätigen Frauen Teilzeit arbeiten. Ein Grund hierfür dürfte bei der hohen «Grenzsteuerbelastung» liegen: Dabei handelt es sich um denjenigen Steuerbetrag, der auf zusätzlich erzieltes Einkommen zu entrichten ist. Aufgrund des progressiv ausgestalteten Steuersystems kann die zusätzliche Steuerlast gerade für gut ausgebildete Fachkräfte sehr hoch ausfallen, was Anreize für eine Pensumserhöhung reduziert. Dieser Abhalteeffekt wird durch vom erzielten Einkommen abhängige Kinderbetreuungstarife verstärkt. Erhöht also z.B. eine gut ausgebildete Mutter ihr Pensum von 60% auf 100%, fallen nicht nur höhere Steuern und Kosten für zwei zusätzliche Betreuungstage an, sondern die neu fünf Betreuungstage werden alle teurer. Dies führt dazu, dass vom zusätzlichen Einkommen kaum mehr etwas übrigbleibt oder sogar «draufbezahlt» werden muss (vgl. exemplarische Berechnungen hier).

Aus Wirtschaftssicht sind demnach Massnahmen dann erfolgreich, wenn sie gut ausgebildeten Zweitverdienern (häufig Müttern) Anreize geben, ihr Erwerbspensum zu erhöhen. Wie sind hierzu die drei Vorstösse von SP, GLP, Grünen, EVP und Alternativer Liste einzuordnen?

  • Nach dem Willen der genannten Parteien sollen sich künftig Kanton und Gemeinden je zu 20% an der Finanzierung eines bedarfsgerechten Angebots an familienergänzenden Betreuungseinrichtungen beteiligen. Zudem muss bei der Festlegung der Elternbeiträge die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zwingend berücksichtigt werden – heute sind die Gemeinden hier frei. Dieser Vorschlag würde die oben beschriebene progressive Wirkung verstärken. Dies einerseits durch die Finanzierung der zusätzlichen Unterstützung mit progressiven Steuern und andererseits durch die Verpflichtung, die Unterstützung vom erzielten Einkommen abhängig zu machen.
  • Ein weiterer Vorstoss verlangt die Einführung von kantonalen Betreuungsgutscheinen. Betreuungsgutscheine sind grundsätzlich einer finanziellen Unterstützung der Krippen vorzuziehen, weil sie es Eltern ermöglichen, das für sie beste Angebot auszuwählen. Problematisch ist jedoch auch hier, dass die Gutscheine vom erzielten Einkommen abhängen sollen, was wiederum die Anreize für gut qualifizierte Mütter mindert.
  • Mit dem dritten Vorstoss soll der Steuerabzug für Kinderdrittbetreuungskosten auf Fr. 20 000 erhöht werden. Dieser Vorschlag entspricht einem fast gleichlautendem Vorstoss der FDP von 2016, der erst Anfang April scheiterte. Inzwischen haben EVP und Alternative Liste ihre Meinung geändert und unterstützen das Anliegen. Aus Wirtschaftssicht ist eine erhöhte Abzugsfähigkeit von Kinderdrittbetreuungskosten sinnvoll, weil sie die Progression bricht und Arbeitsanreize setzt (vgl. hier).

Zusammengefasst hinterlässt die «neue Familienpolitik» aus Wirtschaftssicht ein ambivalentes Bild. Während von der Erhöhung des Steuerabzugs für Kinderdrittbetreuungskosten positive Erwerbsanreize für die gesuchten Fachkräfte ausgehen, reduzieren die anderen Massnahmen Anreize, das Pensum zu erhöhen. Schade ist insbesondere, dass die Massnahmen mit ihrer Fokussierung auf das erzielte Einkommen keine neue Familienpolitik darstellen, sondern eine alte. Einkommensabhängige Krippentarife verteuern gerade jenen gut qualifizierten Zweitverdienern das Arbeiten erheblich, von welchen man massgebliche Steuereinnahmen erwartet. Wenn schon, sollte statt dem erzielten das erzielbare Einkommen (z.B. mit Berücksichtigung des Stundenlohns) für die Berechnung der Elternbeiträge berücksichtigt werden. Damit würden die Betreuungskosten bei einer Pensumserhöhung nicht überproportional ansteigen und Arbeitsanreize blieben gewahrt.

In der Summe dürften die vorgeschlagenen Massnahmen das Problem «Teilzeitfalle» für gut ausgebildete Mütter also nicht beseitigen, sondern eher zementieren.

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